Jugendstil oder Art-déco?


Als der Jugendstil in Mode kommt, gibt es diesen Begriff noch gar nicht – es ist zunächst nur eine Bewegung moderner Künstler am Ende des 19. Jahrhunderts. Diese wollen ihre künstlerischen Freiheiten neu definieren und spalten sich vom herkömmlichen Kunstbetrieb ab >Wiener Secession.

 

Ihr Motto heisst «Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit». Und was verstehen sie darunter? Sie wollen Kunst und Handwerk zusammenführen – Malerei, Architektur und Design unter einen Hut bringen.

 

Sie möchten Gebrauchskunst schaffen, die nicht nur eine Funktion hat, sondern auch schön aussieht. Deshalb kommen jetzt Ornamente ins Spiel, geschwungene Linien, Natur, Blumenmuster. «Florales Dekor» nennt sich das. In der Architektur manifestiert sich das in blumengeschmückten Fassaden, in der Malerei in geschwungen Linien und goldenen Ornamenten.

 

 

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Jugendstil in Wien: Das Majolikahaus.
Architekt Otto Wagner (1841-1918).

 

 

 

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Gustav Klimt (1862-1918). Detail aus dem
Beethovenfries im Secessionsgebäude Wien.

 

 

 

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Alfons Mucha (1860-1939). Träumerei,
1897. Foto WikiArt.

 

 

 

 

Art-déco

 

Zwar liegen die Wurzeln des Art-déco auch im Jugendstil, aber gleichzeitig grenzt sie sich von diesem ab – die Formen werden gradliniger, etwas weniger verschnörkelt. Zudem geht es beim Art-déco mehr um Gebrauchsgegenstände, um Design von Möbeln und Schmuck, auch von architektonischen Werken. Der Begriff «Art-déco» wird 1925 geprägt: An der Pariser Kunstausstellung, die diesen Titel trägt.

 

 

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Koloman Moser (1868-1918). Design für
die Wiener Werkstätte, 1906. Becher,
Silber getrieben und Bernstein. MAK
Museum für angewandte Kunst, Wien.

 

 

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Art Deco in New York: Chrysler Building, 1930.

Foto Jorge Royan, WikiCommons.

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Gustav Klimt (1862-1918). Teil Beethovenfries.
Die feindlichen Gewalten, 1902.

Secessionsgebäude, Wien.

 

 

 

 

 

 

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Gustav Klimt (1862-1918). Judith I, 1901. Museum Belvedere,
Wien.

 

 

Zeitliche Einordnung

 

1300 - 1600 >Renaissance

1520 - 1600 >Spätrenaissance/Manierismus

1600 - 1750 >Barock

1730 - 1780 >Rokoko

1750 - 1820 >Klassizismus

1820 - 1850 >Romantik

1850 - 1880 >Realismus

1860 - 1900 >Symbolismus

1870 - 1900 >Impressionismus

 

1900-1914 Jugendstil
1920-1940 Art-déco

 

1900 - 1950 >Moderne Kunst ab 1900

 

 

>Stilepochen im Überblick

 

 

   

Jugendstil 1900-1914 auch Art Nouveau, Stile Floreale

 

secessionsgebäude

Das Wiener Secessions-gebäude.

 

beethovenfries

Gustav Klimt (1862-1918). Detail aus dem Beethovenfries.

 

 

majolikahaus

Otto Wagner (1841-1918). Die Majolikahäuser, Paradebeispiele für die Wiener Jugendstil-Architektur.

 

 

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Otto Wagner (1841-1918). Bahnhofshalle am Karlsplatz in Wien. Heute Wagner-Museum.

 

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Figur auf einem der Majolika-Häuser des Architekten Otto Wagner.

 

 

 

 

 

 

 

Ausgangspunkt Wiener Secession?

 

Als Beginn der neuen Strömung gilt allgemein die Jahrhundertwende, grob also etwa 1900. Die >Wiener Secession mit ihrem Motto «Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit» verkörpert den Beginn des Jugendstils. Ihr Wahrzeichen ist das berühmte >Secessionsgebäude (fertiggestellt 1898) und ihr bekanntester Vertreter ist der erste Präsident der Secession, >Gustav Klimt. Im Secessionsgebäude hinterlässt Klimt eines seiner berühmtesten Jugendstil-Werke, den >Beethovenfries (1902).

 

Schon vorher hat sich in England die so genannte «arts-and-crafts»-Bewegung etabliert, die eine Verschmelzung von Kunst und angewandter Kunst anpeilt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kommt der neue Stil auch in Italien auf (Stile Floreale), in Russland, Deutschland und in Frankreich. Hier heisst er Art Nouveau. Auch in Spanien entstehen Gebäude im Jugendstil. Ein berühmter Vertreter des Jugendstils ist auch der Tscheche >Alfons Mucha.

 

 

Was führte zum Jugendstil?

 

Vielleicht war es eine Antwort auf die als seelenlos empfundene Industrialisierung. Oder einfach die neue verspielte Lust auf Ornamente, auf Blumenmuster, auf künstlerische Freiheiten. In Österreich ist die >Wiener Secession die treibende Kraft.

 

In England ist es der im viktorianischen Zeitalter erfundene mechanische Webstuhl, der die Massenproduktion von mit reichen Ornamenten versehenen Textilien möglicht macht.

 

In Frankreich sind es die immer wohlhabender werdenden Bürger der Belle Epoque, die sich gerne mit extravaganten und schönen Dingen umgeben.

 

 

Wie definiert sich der Jugendstil?

 

Ornamente und Blumenmuster spielen eine grosse Rolle, geschwungene Linien und ganz generell dekorative Elemente. Das gilt für die bildende Kunst ebenso wie für Architektur und Design.

 

Begriff: Der Begriff Jugendstil geht auf die Kulturzeitschrift «Jugend» zurück, die 1895 in München von Georg Hirth gegründet wurde. Die damit befassten Künstler wollten sich primär vom Historismus abwenden und vom «kalten» Industrialismus.

 

Als Begriff wird der Jugendstil erstmals 1897 erwähnt – an einer Gewerbeausstellung in Leipzig. Der deutsche Architekt Paul Möbius erstellte den passenden Pavillon dazu, mit reichhaltigen Stuck- und Schmuck-Fassaden.

 

Zur Stilepoche wird der Jugendstil aber erst um 1960 «geadelt» – nach einer Art «Übereinkunft» von Kunsthistorikern. Die Experten setzen ihn auf 1900-1914 an.

 

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Fotobeispiele Jugendstil

 

Art-déco 1920-1940

 

Exposition Internationale des Arts Décoratifs, Paris 1925 (Foto ab Postkarte).

 

 

 

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Dagobert Peche (1887-1923). Brosche silber, 1917-18. MAK Museum für angewandt Kunst Wien.

 

 

 

stoclet

Josef Hoffmann (1870-1956). Architekt des Palais Stoclet in Brüssel.
Foto PtrQs, WikiCommons,
>Licence 4.0

 

Art-déco – Begriff und Definition

 

Der Begriff «Art-déco» wird 1925 geprägt: An der Pariser Exposition Internationale des Arts Décoratifs. Diese Ausstellung trägt erheblich dazu bei, den Art-déco-Stil international zu verbreiten. Es dauert aber noch lange – bis in die 1960er-Jahre – bis die Art-déco zur Stilepoche erklärt wird. Die Zeitgenossen dieser Ausstellung sprechen noch vom Style Moderne.

 

Zwar liegen die Wurzeln der Art-déco im
Jugendstil, aber gleichzeitig grenzt sie sich von diesem ab – die Formen werden gradliniger, geometrischer und weniger verschnörkelt.

 

Zudem geht es bei der Art-déco mehr um Gebrauchsgegenstände, um Design von Möbeln
und Schmuck, inspiriert von der

 

>Wiener Werkstätte

 

Im Gegensatz zum Jugendstil (blumige Ornamente, viele dekorative Elemente) fehlen bei der Art-déco klare Stilmerkmale. Erkennbar ist aber eine gestalterische Eleganz der Formen und eine Lust an kostbaren Materialien.

 

Auch die Architektur entdeckt die Art-déco: In den 1920/30er-Jahren enstehen diverse Gebäude, die heute als Ikonen der Art-déco gelten. Zum Beispiel das Palais Stoclet in Brüssel oder das Chrysler Bulding in New York.

 

Zu eigenen Stil-Epochen werden der Jugendstil

und Art-déco erst in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts erhoben: Um 1960 herum einigen sich die Kunsthistoriker, für den Jugendstil die Jahre 1900 bis 1914 «festzulegen», und für Art-déco etwa 1920-1940.

 

 

Tamara de Lempicka (1898-1980). La chemise rose, 1927. Foto©Christie's.

 

>Lempicka

 

 

Art-déco in der Malerei

 

An der Pariser Exposition Internationale des
Arts Décoratifs
von 1925 werden auch Gemälde gezeigt. Obwohl diese der eigentlichen Definition der Art-déco nicht wirklich entsprechen (Design, geometrische, gradlinige Formen) werden sie kunstgeschichtlich diesem Stil zugeordnet – weil sie in dieser Zeit entstanden sind.

 

Vor allem die polnische Künstlerin Tamara de Lempicka wird seither als das «Gesicht der Art-déco» bezeichnet. In dieser Zeit (die «années folles» der 1920/30er-Jahre) sprach man allerdings noch vom «Style moderne».

 

 

 

>Wiener Werkstätte, Ausstellung Kunsthaus Zürich 2021

 

 

>weitere Stilepochen

   
   

 

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