Ausstellung «IM NAMEN DES BILDES»

Museum Rietberg Zürich vom 4.2. Bis 22.5.2022

 

 

Ausstellungsplakat.

 

 

«Du sollst dir kein
Gottesbild machen»
Exodus 20.4


Die Ausstellung geht einer heissen Frage nach: Wieso gibt es so viele religiöse Bilder, wo doch Moses' zweites Gebot lautet: «Du sollst dir kein Gottesbild machen noch irgendein Abbild von etwas was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist...»?

 

 

Die berühmteste Darstellung von Gott stammt von >Michelangelo und ist in der >Sixtinischen Kapelle im Vatikan zu sehen. Den Auftrag dafür bekam er
direkt von Papst Julius II.

 

 

 

Die Ausstellung zeigt, welche Strategien der Islam und das Christentum im Verlauf der Jahrhunderte entwickelten, um mit dem Bilderverbot umzugehen. Oder besser: es zu umgehen.

 

Vor allem die christliche Kirche kapiert schnell, dass die Gläubigen mit Bildern besser geführt werden können als mit Schriften – zumal im Mittelalter die meisten Menschen eh nicht lesen können. Schon bald erlauben Konzile und Synoden die Erschaffung von Bildern und dann auch das Anbeten von Abbildungen, Statuen und Reliquien.

 

Wie sieht es mit dem Bilderverbot im Islam aus? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Es sind verschiedene Rechtsschulen, die bestimmen, ob ein Bild «verboten» oder nur «tadelnswert» ist. Einig sind sich diese Rechtsgelehrten aber darin, dass in Moscheen Bilder keinen Platz haben dürfen.

 

Anders verhält es sich in den osmanischen und persischen Palästen. Hier findet sich eine wahre Bilderpracht an Wänden, Textilien und Keramikgefässen. Mit bildlichen Erzählungen und Darstellungen von Herrschern und ihrem Umfeld.

 

 

Königin Nushaba empfängt Alexander
den Grossen. Iran, 1540.

British Library London.

 

 

Prophet Muhammad predigt.
Türkei, 1594-95. Chester Beatty
Library Dublin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Altaraufsatz mit der Statue von Gottvater.

Wallis, 1480. Schweizerisches

Nationalmuseum Zürich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gebot Moses'

 

Muhammad predigt. Türkei,
16. Jahrhundert. Metropolitan Museum of Art, New York.

 

Muhammad vor den Toren Medinas, 1425. Iran. Harvard Art Museums.

 

Mandylion. Russland 1800. Ikonen-Museum Recklinghausen.

 

 

Altaraufsatz.
Wallis, 1480. Schweizerisches Nationalmuseum Zürich.

 

Eigentlich ist Moses' Gebot klar – aber...

 

An die Gebote Moses' halten sich im Grundsatz die Juden, die Christen und die Moslems. Eigentlich gilt auch das Bilderverbot für alle: «Du sollst dir kein Gottesbild machen...». Aber alle drei Religionen legen das Gebot anders aus.

 

Die Juden halten sich am striktesten an das Verbot und lehnen jegliche Abbildung von Gott ab.

 

Im Islam hat man einen Zwischenweg gefunden. Die Abbildung von Allah ist zwar tabu, den Propheten Muhammad darf man hingegen abbilden,wenn man sein Gesicht verschleiert. Was allerdings auch nicht immer und überall eingehalten wird, wie eine Abbildung aus dem Iran aus dem Jahr 1425 zeigt: «Der Prophet vor den Toren Medinas». Da reitet er ganz unverhüllt und klar erkennbar.

 

 

Christliche Begeisterung für Bilder

 

Die Christen halten sich nicht lange an Moses' Gebot und finden im Laufe der Jahrhunderte immer neue Wege, das Bilderverbot zu unterlaufen. Oder zu erklären, warum Bilder nützlich und erlaubt sind.

 

Auf ihrem Höhepunkt baut die katholische Kirche ihr gesamtes «Marketing» auf Bildern auf. Sie überflutet die Gotteshäuser mit Abbildungen und Statuen von Christus am Kreuz, von Maria mit dem Kind und von zahllosen Heiligen und Märtyrern – und begeistert damit die Gläubigen.

 

Ikonen mit dem Gesicht Christi entstehen bereits im 6. Jahrhundert. Dann «erfindet» man das Sinnbild (=Symbol) und erlaubt deren Abbildung. Vor allem das Kreuz beginnt eine grosse Rolle zu spielen. Anbeten darf man es zwar zunächst nicht, aber im Jahr 825 beschliesst die Synode von Paris, dass auch das «erlaubt» ist.

 

Und was ist mit der Abbildung von Gott?

Papst Gregor der Grosse (590-604) begründet die Abbildungserlaubnis damit, dass «erzählende Wandbilder für Ungebildete eine grosse Hilfe seien». Und weiter: «Was den Lesenden die Schrift, ist die Malerei für die Ungebildeten, denn so sehen sie, was zu befolgen ist». In der Folge gestattet Gregor den Gläubigen, «Bilder sowohl zu machen als auch sie zu haben».

 

Im Mittelalter entstehen massenhaft Abbildungen von Gottvater, vor allem für Altäre. Die Grundlage dafür legt das Zweite Konzil von Nizäa (Türkei, südlich von Istanbul) im Jahr 787: «Die dem Bild dargebrachte Verehrung geht ja auf dessen Urbild über, und wer zu einem Bild hin betet, betet eigentlich zu dem, was darauf abgebildet ist». Nicht alle teilen diese Meinung, es entsteht ein Bilderstreit.

 

 

 

Verklärung Christi auf dem Berg Tabor, Kreta, 16.Jht. Ikonen-Museum Recklinghausen.

 

Heilige verehren die Gottesmutter. Moskau 1701. Museum für Byzantinische Kunst Berlin.

 

 

Bilderstürme schon im 8. Jahrhundert

 

Im 8. Jahrhundert kommt es zum byzantinischen Bilderstreit. Im Kern geht es dabei um die Darstellbarkeit von Christus als Inkarnation Gottes und die Frage, ob das Abbild von Christus und Christus selbst identisch sind.

 

Der erste Bilderstreit wird von Kaiser Leo III (Regierungszeit 717-741) ausgelöst. Er setzt die Bilderverehrung dem Götzendienst gleich. Sein Sohn Konstantin V (reg. 741-775) erhebt die Zerstörung von Bildern zum Programm. Es führt zu Zerstörungen von Bildern (=Ikonoklamus). Der Zweite Bilderstreit endet jedoch 843 mit der Wiedereinführung der Ikonenverehrung.

 

Im 16. Jahrhundert kommt es erneut zu Bilderstürmen. Im Zuge der >Reformation werden in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden Skulpturen und Bilder aus den Kirchen entfernt, beschädigt, zertrümmert oder verbrannt.

 

Besonders eifrig setzt sich der Zürcher Reformator >Huldrich Zwingli für die Bilderverbote und deren Zerstörung ein.

 

Diese hält aber nur bis zur Gegenreformation. Am Konzil von Trient 1563 wird die Bilderverehrung wieder bekräftigt.

 

   

 

«Zur Physiognomie des Propheten», Hilye des Hakani. Istanbul, 1848. Sammlung Tobias Heinzelmann, Zürich.

 

 

Illustriertes Gebetsbuch,
15. Jht. Burgund. Zentralbibliothek Zürich.

 

 

Am Anfang war das Wort

 

Am Anfang berufen sich alle drei Religionen darauf, dass dem geschriebenen Wort die höchste Bedeutung zukomme und dass das Wort das Heiligste sei.

 

Im Islam entwickelt sich «das schöne Schreiben», die Kalligrafie, zur höchsten Kunstgattung. Nicht nur für Manuskripte, auch für die Ausgestaltung von Moscheen. In Moscheen gibt es bis heute keine figürliche Darstellungen.

 

Später kommt dann die Hilye in Gebrauch, ein Schriftstück, dank der eine physiognomische Beschreibung des Propheten möglich wird. Mit ihrer Hilfe können sich nun die Gläubigen ein «Bild» bzw. eine Vorstellung von Muhammad machen.

 

Auch im Christentum stehen am Anfang nur Texte, aber diese werden schon früh mit Illuminationen (=Illustrationen) versehen, also mit Bildern, die die Texte ausschmücken.

 

 

 

 

Armreliquiar des Hl. Ursus. Oberdorf (Schweiz), 1474. Nationalmuseum Zürich.

 

Das Kreuznagel-Reliquiar in der Schatzkammer der Hofburg in Wien. Augsburg, 17. Jht.

 

 

Schweisstuch der hl. Veronika.
Niederlande,
1580-1632. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.

 

Heilige und Reliquien

 

Die Reliquienverehrung spielt im Christentum schon früh eine bedeutende Rolle. So schreibt Johannes von Damaskus (650-754), dass «Heilige reine Herbergen Gottes» seien. Gott wohne also in ihnen – sowohl spirituell als auch körperlich. Deshalb «besitzen die Gebeine der Heiligen diese Gnade über ihren körperlichen Tod hinaus».

 

Meist handelt es sich um Körperreliquien, zum Beispiel Knochen oder Haare der Heiligen. Diese werden dann in speziell dafür gefertigten Gefässen aufbewahrt. Das Armreliquiar aus Oberdorf enthält Knochen des Heiligen Ursus. Deren «Echtheit» wird in einer Beischrift bezeugt.

 

Ein bemerkenswertes Reliquiar ist in Wien zu sehen: In der Schatzkammer der Wiener Hofburg (an der Ausstellung im Museum Rietberg nicht ausgestellt). Es ist ein Kreuznagel-Reliquiar. In ihm soll jener Nagel aufbewahrt sein, mit dem man Jesus' rechte (!) Hand ans Kreuz genagelt habe. Konstantin der Grosse (ca. 270-337 n.Chr.) soll diesen Kreuznagel auf seinem Helm getragen haben. Und war es wirklich der Nagel, der die rechte Hand Jesus' durchbohrte? Aber ja doch. Das bestätigt Papst Innocent II (1088-1143) in einer Urkunde. Er selbst habe den Kreuznagel geprüft.

 

Es gibt aber auch Berührungsreliquien. Darunter versteht man Gegenstände und Kleidungsstücke, die mit Jesus, mit Heiligen oder mit Märtyrern in Kontakt gekommen sind.

 

Eine der Berühmtesten ist das Schweisstuch der heiligen Veronika. Die Legende besagt, dass sie Jesus auf dessen Leidensweg zum Kreuz ein Tuch gereicht habe. Jesus habe darin sein Antlitz verewigt, worauf das Tuch Heilkräfte bekam. Veronika fuhr nach Rom und heilte damit Kaiser Tiberius.

 

 

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>Ausstellungsführer «Im Namen des Bildes» (PDF)

 

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