Doppelausstellungen mit zwei Superstars waren schon immer heikel. Diese hier ist es besonders, weil zwischen den beiden gut drei Jahrhunderte liegen. Was könnten sie gemeinsam haben? Die Ausstellung versucht aufzuzeigen, dass El Greco ein Vorbild für Picasso war.
Belegt ist, dass Picasso als ein Fan von El Greco dessen Werke mehrmals im Museo del Prado in Madrid studiert und in Zeichnungen festgehalten hat. Vor allem die Porträts von Edelmännern mit ihren mächtigen Spitzbärten sollen es ihm angetan haben.
Ausstellungsplakat
Die Ausstellung im Kunstmuseum Basel will nun dokumentieren, dass El Greco ein «Vorlagengeber» für Picasso war. Schon das Ausstellungsplakat versucht, eine Verbindung zwischen den beiden Meistermalern zu belegen: «Die Dame im Pelz» (rechts) soll Picasso den Anstoss für seine «Madame Canals» (links) und sogar für seine Rosa Periode geliefert haben.
Wie diese Vorlage zu Picassos Rosa Periode geführt haben soll, erschliesst sich dem Betrachter aber nicht wirklich. Gaben vielleicht die rosa Bäckchen der Dame die Anregung dazu? Es kommt aber noch besser. Die «Dame im Pelz» stammt gar nicht von El Greco, sondern von einem gewissen Alonso Sanchez Coello, wie man in der Ausstellung dann erfährt. Vielleicht wurde das Plakat ja etwas voreilig gedruckt. Kann passieren.
Weiter liest man im Ausstellungsführer, dass El Grecos Einfluss auf Picassos Blaue Periode «allgemein anerkannt» sei. Schön, wenn sich die Kunstexperten darin einig sind. Für die BesucherInnen der Ausstellung wird das nicht so klar. Dazu hätte man etwas konkreter werden und jene El Greco-Werke zeigen müssen, mit denen man diese These untermauern könnte. Leider gibt es diese konkreten Werke nicht zu sehen.
Fazit: Es gelingt der Ausstellung nicht wirklich schlüssig und verständlich zu belegen, dass El Greco ein Vorläufer von Picassos Blauer oder Rosa Periode oder sogar des Kubismus sein soll. Vielleicht hat man hier das Ziel etwas zu hoch gesteckt.
Das soll nun nicht heissen, dass die Ausstellung als solche ein Flop wäre. Man kann die Bilderpräsentation durchaus geniessen. Sie zeigt eine beachtliche Fülle von El Greco- und Picasso-Werken, die man sonst kaum je zu Gesicht bekäme. Es sind qualitativ hochwertige Werke darunter.
Sie stammen aus den berühmtesten Häusern der Welt: aus dem Prado Madrid, aus Museen von Budapest bis Kansas City, vom Escorial bis zur National Gallery London, von Barcelona bis New York. Und auch aus Schweizer Museen.
El Greco (1541-1614). Büssende Magdalena,
1576-77. Museum of Fine Arts Budapest.
Pablo Picasso (1881-1973). Tête de femme,
1908. Museum Berggruen Berlin.
Titelbild (Ausschnitt)
El Greco (1541-1614). Marienkrönung, 1592.
Museo del Prado, Madrid.
El Greco (1541-1614). Bildnis
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Picassos Schwäche für Spitzbärte
El Greco, der etwa 350 Jahre vor Picasso als grosser Meister galt, geriet nach seinem Tod 1614 ziemlich in Vergessenheit. Pablo Picasso war einer der Künstler, die ihn wieder auf die Bühne zurück brachten. Schon als 17-jähriger zog es ihn in den >Prado nach Madrid. Dort studierte er El Grecos Werke und fertigte Skizzen und Zeichnungen von diesen an.
Besonders fasziniert soll Picasso von El Grecos Porträts gewesen sein. «Was ich wirklich mag an seinem Werk, sind die Porträts, all die Herren mit spitzen Bärten».
Aber auch El Grecos manieristische Werke mit den verrenkten Figuren müssen ihn in den Bann gezogen haben – und sicherlich hatten diese später Einfluss auf Picassos Arbeiten – wie alle Werke, die von irgend einem Künstler gemalt und von anderen betrachtet werden. Picasso ist ja berühmt dafür, verzerrte Figuren zu malen. Vielleicht hat er auch bei El Greco Anregungen dafür gefunden.
Picasso war nicht der einzige, der im ausgehenden 19. Jahrhundert am «wieder entdeckten» El Greco Gefallen fand. Auch Edouard Manet oder Edgar Degas mochten seine Werke.
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Pablo Picasso (1881-1973). Evocation (L'enterrement de Casagemas), Paris, 1901. Musée d'Art Moderne de Paris.
El Greco (1564-1614). Das Begräbnis des Grafen Orgaz, 1586-88. Kirche Santo Tomé, Toledo. In Basel nicht ausgestellt. |
Blaue Periode – Wurzeln bei El Greco?
Es ist eine Hypothese, die vom Kunstkritiker Gustave Coquiot stammt. Dieser stellte fest, dass es «in Picassos Atelier nur so wimmle von El Greco-Reproduktionen. Wie er daraus den Schluss ziehen konnte, dass Picasso so zur Blauen Periode fand, ist sein Geheimnis und scheint etwas weit hergeholt.
Im Ausstellungskatalog wird ein Werk El Grecos als Vorbild für Picassos Gemälde «Beerdigung des Casagemas» genannt. Mit diesem hat Picasso seine blaue Periode eingeläutet. Es heisst
Begräbnis des Grafen Orgaz (1586-88)
und ist ein Kirchenbild von 4.80 Meter Höhe. Es hängt in der Pfarrkirche Santo Tomé in Toledo (in Basel an Ausstellung nicht zu sehen). Könnte das ein Vorbild für Picassos Casagemas-Begräbnis sein?
Durchaus möglich. Ob es dagegen mit Picassos Blauer Periode in Verbindung gebracht werden kann, ist mehr als fraglich. Die Farbe Blau kommt in diesem Bild El Grecos nämlich gar nicht vor. Hingegen könnte der Bildaufbau Picasso als Vorbild oder Anregung gedient haben. Zumindest teilt Picasso die Handlung in zwei Sphären auf – wie El Greco. In eine irdische und eine himmlische. Unten das Begräbnis, oben die Seelen im Himmel.
Picasso übernimmt zwar diese Aufteilung, macht aber aus dem Paradies ein ausgelassenes Freudenfest mit tanzenden und schmusenden Nackten – weit weg von biblischen Vorstellungen.
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Pablo Picasso (1881-1973).
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Picassos Demoiselles von El Greco inspiriert?
Diese These findet sich im Ausstellungskatalog:
Denkbar, dass Picasso die verzückten, verdrehten und im Stil des >Manierismus dargestellten Figuren El Grecos inspiriert haben, seine Demoiselles auch so verbogen und verzerrt zu malen. Allerdings noch einen Schritt weiter gehend, in dem er einige der Figuren in Kuben unterteilt. Das Gemälde gilt als Picassos Einstieg in den >Kubismus.
An seinen «Demoiselles d'Avignon» arbeitet Picasso fast ein Jahr lang, von Herbst 1906 bis Sommer 1907. Er macht hunderte von Vorstudien. Allein in seinem Nachlass finden sich über 800, von Skizzen bis zu ganzen Gemälden. Drei interessante Vorstudien sind in der Ausstellung in Basel zu sehen. >mehr in der Fotogalerie
In einem ersten Entwurf zeichnet/malt Picasso fünf nackte Frauen und zwei bekleidete Männer, darunter ist ein Medizinstudent, der das Bordell betritt. Tatsächlich spielt die Szene im Bordell an der Carrer d'Avinyo in Barcelona.
Im endgültigen Bild lässt er die Männer dann weg. Der Titel enthält aber noch immer die Anspielung an das Bordell in der Carrer d'Avinyo – katalanisch für Avignon.
>mehr über die Demoiselles d'Avignon
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El Greco(1541-1614). Marienkrönung, 1592. Prado Madrid.
Pablo Picasso (1881-1973). Nu assis, 1909-10. Tate London.
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El Greco auch Vorläufer des Kubismus?
Nun wird es knifflig. Die Ausstellungsbroschüre suggeriert, dass El Greco gut 300 Jahre vor Picasso «eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Kubismus» gespielt habe. Und weiter «Die Gegenüberstellung von dessen 'Marienkrönung' macht diesen Querbezug anschaulich. Dazu gehören die übertriebenen Gesten und die in die Länge gezogenen Proportionen der Figuren».
Hier wird zum >Manierismus verwiesen, der zu Ende der Renaissance seine Blüte hatte. Aber da steht El Greco nicht allein. Da gibt es auch noch Pontormo und Tintoretto und van Haarlem und viele weitere – sie alle haben übertriebene Gesten und unnatürliche Proportionen gemalt. Sie alle wären demnach Vorläufer des Kubismus. Aber stimmt das?
Der Kubismus zeichnet sich ja nicht durch diese übertriebenen Gesten und Verdrehungen aus, sondern durch eine Zerlegung der Figuren in geometrische Einzelteile (Kuben). Was hat El Grecos «Vorlage» der Marienkrönung in dieser Hinsicht zu bieten? Gar nichts.
Muss man dem armen El Greco wirklich alles aufbürden? Auch die Erfindung des Kubismus?
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Ausstellung «Picasso/El Greco», 2022
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