Jean-Auguste-Dominique Ingres
(1780-1867)


Ingres ist ein Schüler von >Jacques-Louis David. Von diesem erlernt er die Malerei des Klassizismus – damit hat es sich aber auch schon mit grossen Parellelen. Im Gegensatz zu David, der die ganzen Wirren der französischen Revolution am eigenen Leib erfährt, hängt Ingres in diesen blutigen Zeiten noch an der Mutterbrust und bekommt von all dem Horror nichts mit.

 

Sein Leben verläuft in geordneten Bahnen. Er kommt 1780 in Montauban in der Gegend von Toulouse zur Welt – praktischerweise in eine Künstlerfamilie: Sein Vater ist Bildhauer und Stukkateur. Mit 12 darf Jean-Auguste bereits in der Kunstakademie von Toulouse studieren, fünf Jahre später dann im Atelier von Jacques-Louis David (im Louvre!). Schon 1799 findet er Aufnahme in die Ecole des Beaux-Arts in Paris. Ein Start nach Mass.

 

 

selfie1804

Selbstporträt mit 24 Jahren.
Musée Condé, Chantilly.

 

 

Und so gradlinig geht es weiter nach oben. Ein Stipendium ermöglicht ihm einen Aufenthalt in Rom. Dort studiert er Werke von Raffael und Tizian und findet seinen eigenen Weg des Klassizismus mit historischen und religiösen Werken, aber auch mit Akten. Auf diesem Gebiet liefert er 1814 eines seiner Meisterwerke ab: «La grande Odalisque».

 

Sein Lieblingsgenre ist zwar die Historienmalerei, aber diese Gattung bringt kaum Geld. Also setzt Ingres sein Talent für die Porträtmalerei ein und wird mit Aufträgen von den bedeutendsten Pariser Persönlichkeiten überschüttet. Dazu gehört auch der aufstrebende Napoleon Bonaparte. Ingres malt ihn als Konsul, er malt ihn als Kaiser. Nach der Ära Napoleon sind es Adlige und reiche Bürger, die Ingres mit Aufträgen versorgen.

 

1824 kehrt Ingres nach einem vierjährigen Aufenthalt in Florenz zurück nach Paris und feiert dort am Salon Erfolge. 1825 verleiht ihm König Charles X das Kreuz der Ehrenlegien, dann wird er Mitglied der Akademie und 1829 Professor an der Ecole des Beaux-Arts.

 

In den 1840er-Jahren ist er einer der führenden Vertreter des Spätklassizismus und liefert sich ein Künstlerduell um die Nummer 1 Frankreichs mit >Eugène Delacroix. Seine triumphale Karriere gipfelt 1855 in der Teilnahme an der Weltausstellung in Paris, wo er nicht weniger als 48 Werke präsentieren darf.

 

1861 erhält er in Paris seine eigene Ausstellung in der Société des Arts-Unis, an der über hundert seiner Zeichnungen präsentiert werden. Und es kommt noch besser: Kaiser Napoleon III – als kunstaffin bekannt – ernennt Ingres 1862 zum Mitglied des Senats.

 

Jean-Auguste Dominique Ingres verstirbt 1867 im Alter von 87 Jahren in seiner Pariser Wohnung. Er wird auf dem Friedhof Père Lachaise begraben – wo seit 1825 auch das Herz von Jacques-Louis David liegt. Damit schliesst sich der Kreis zu seinem Lehrer.

 

Seiner Heimatstadt Montauban vermacht er für das «Musée Ingres» in seinem Testament über 50 Gemälde von sich und anderen Künstlern. Heute beherbergt das Museum auch Werke eines anderen berühmten montaubaner Künstlers: des Bildhauers Antoine Bourdelle (1861-1929).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)
Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867).
Odalisque à l'esclave, 1842.

Walters Art Museum Baltimore.

 

konsul_bonaparte

Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867). Bonaparte als Erster Konsul, 1804. Curtius Museum Lüttich.

 

 

kaiser_napoleon

Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867).
Napoleon auf dem Kaiserthron, 1806. Musée de l'Armée, Paris.

 

 

Prestigeträchtiges für Napoleon

 

Am liebsten malt Ingres Historienbilder, aber damit lässt sich nur schwer Geld verdienen. Aufgrund seiner klassisch-akademischen Ausbildung fühlt er sich aber auch in der Porträtmalerei wohl. Damit beginnt er schon früh.

 

Er ist erst 24, als er diesen prestigeträchtigen Auftrag erhält: ein Porträt von Bonaparte als Ersten Konsul. Ingres malt ihn als jugendlichen, freundlich blickenden neuen Herrscher von Frankreich. Und türkt dabei auch etwas: Die Kathedrale von Lüttich im Hintergrund gibt es gar nicht mehr – die wurde in den Wirren der Revolution zerstört.

 

Erster Konsul zu sein genügt Napoleon nicht. Noch 1804 krönt er sich selbst zum Kaiser und lässt das in einem Monumentalgemälde von fast 10 Meter Breite feiern. Durch seinen Lieblingsmaler >Jacques-Louis David. Jetzt möchte der Kaiser auch noch ein Einzelporträt auf dem Thron. Davids Schüler dürfen mittun. Auch Ingres.

 

Dieser trägt nun ganz dick auf. Der Thron wirkt wie ein Heiligenschrein. Der Samtmantel ist mit Hermelin besetzt, darüber das Kreuz der Ehrenlegion. Das kaiserliche Haupt wird von einem goldenen Lorbeerkranz geschmückt. In seiner Rechten hält er das Zepter Karls des Grossen, in seiner Linken die Hand der Gerechtigkeit. Auf den Armlehnen zwei Elfenbeinkugeln. Sie stellen die Welt dar, die nun erobert werden soll. Das Bild strotzt nur so von Machtsymbolen.

 

Dabei wollte doch Napoleon kein Cäsar von Gottes Gnaden sein, nur «Kaiser der Franzosen»... Das Bild erntet denn auch einige Kritik, gekauft wird es aber doch. Vom Corps Législatif, der gesetzgebenden Behörde. Also von Napoleon.

 

 

rothschild

Baronesse de Rothschild.

 

bertin

Monsieur
Bertin.

 

Porträts für die Noblen und die Reichen

 

Der Sturz Napoleons 1815 und das damit verbundene Ende der Kaiserzeit bedeutet für Ingres keineswegs, dass er jetzt arbeitslos wäre. Im Gegenteil. Es gibt mehr als genug Adlige und wohlhabende Kaufleute, die sich von ihm porträtieren lassen wollen. Dabei möchte sich Ingres lieber der Historienmalerei widmen. Doch dafür bleibt ihm kaum Zeit, die Porträts haben Vorrang, denn sie bringen Geld.

 

Auf seiner Kundenliste stehen illustre Namen wie Baronesse de Rothschild oder Louis-François Bertin, der Verleger der pro-royalistischen Zeitschrift «Journal des débats». Ingres leistet in diesem Bild ganze Arbeit und stellt Bertin als imposante Figur dar. Bestimmt, selbstsicher, Vertrauen einflössend. Am Salon de Paris von 1833 wird das Gemälde ausgiebig gelobt und gefeiert.

 

 

 

jupiter

Jupiter und Thetis, 1811. Musée Granet, Aix-en-Provence.

 

 

 

Ingres' Liebe zu antiken Themen

 

Mit der Portraitmalerei verdient er sein Geld, aber seine künstlerische Liebe liegt in der Historienmalerei und bei mythologischen Motiven. Die meisten dieser Gemälde fertigt er ohne konkrete Aufträge.

 

Das hier behandelte Thema stammt aus Homers Ilias. Die Meeresnymphe Thetis bittet Jupiter, ins Schicksal ihres Sohnes Achilles einzugreifen. Der ist zur Zeit gerade im Trojanischen Krieg beschäftigt und braucht Hilfe. Die halbnackte Nymphe macht sich unterwürftig an Jupiter heran, den Boss aller Götter. Und streichelt ihn zart am Kinn, um ihrem Wunsch Ausdruck zu verleihen.

 

 

odalisque

La grande Odalisque, 1814. Salon de 1819. Louvre Paris.

 

Highlight im Louvre

 

Ein Akt, der im Museum die Massen anzieht. Bei seiner Erschaffung 1814 erntete das Bild aber böse Kritiken, weil die Proportionen der Frau nicht der Natur entsprechen. Heute sieht man das offenbar nicht mehr so eng. Als Vorlage sollen dem Künstler die nackte Venus von >Tizian und «Madame Récamier» von >David gedient haben, die beide auch über die Schulter blicken.

 

Auftraggeberin war eine Schwester Napoleons, Königin Caroline Murat von Neapel.

 

 

jeanne d'arc

Jeanne d'Arc bei der Krönung von Charles VII, Kathedrale Reims, 1854. Louvre Paris.

 

1854: Doch noch Historienbilder

 

Ingres ist bereits 74, als er dieses Bild malt. Erfolgreich wie er jetzt ist, kann er auch Bilder malen, die kein Geld bringen. Hier verbindet er Geschichte und Religion. Er stellt die berühmte Jeanne d'Arc so dar, wie das sonst niemand getan hat. Nicht als Heldin bei der Belagerung von Orléans, nicht als Märtyrerin auf dem Scheiterhaufen – sondern als Heilige anlässlich der Krönung von König Charles VII in der Kathedrale von Reims.

 

Als Modell wählt Ingres seine Ehefrau Delphine, die er noch während der Entstehung des Bildes heiratet. Und sich selbst verewigt er auch noch auf dem Gemälde: als Ritter am linken Bildrand.

 

 

 

badende

La Baigneuse de Valpinçon, 1808. Louvre Paris.

 

bain turc

Le bain turc, 1862. Louvre Paris.

 

Badende und Badeszenen

 

Schon in seinen Frühwerken gibt es Badende, und bis ins hohe Alter bleibt Ingres diesem Motiv treu. Die «Badende von Valpinçon» (auch: La grande Baigneuse) aus dem Jahr 1808 diente >Man Ray ais Vorlage für seine berühmte Fotografie, in der er den Frauenkörper in eine Violine verwandelt.

 

>mehr

 

Die Thematik der Badenden nimmt Ingres in seinem Spätwerk «Das türkische Bad» 1862 wieder auf – da ist er schon 82 Jahre alt. Le bain turc gehört heute zu seinen berühmtesten Werken.

 

Interessant ist, dass der Künstler hier auf sein eigenes Werk von 1808 zurück greift. Die Frau im Vordergrund, die dem Betrachter den Rücken zukehrt, gleicht verdächtig der «Badenden von Valpinçon». Nur dass sie diesmal musiziert. Sie ist auch die einzige, deren Körper in einem natürlichen Farbton daher kommt – alle anderen Figuren wirken blass, künstlich und irgendwie abwesend.

 

 

more

 

Fotos / Diashow