Milano: Pinacoteca di Brera


Antonio Canovas Napoleon als Mars empfängt die Besucher spektakulär – und dahinter warten bereits die gewaltigen Monumentalwerke mit vorwiegend biblischen Motiven. Und über 30 Säle voll von Kunst.

 

 

Antonio Canova (1757-1822).

Napoleon als Mars, 1806/1811.


Der Schwerpunkt der Sammlung liegt bei der oberitalienischen Malerei der Renaissance und des Barocks. Sie geht auf die Gründung der Accademia di Belle Arti di Brera im Jahre 1776 zurück, als die Lombardei noch zum Habsburgerreich gehörte. Auf Veranlassung von >Maria Theresia wurde der Akademie eine Sammlung von Gipsabgüssen, Drucken und Zeichnungen angegliedert.

 

Der Grundstock der Sammlung besteht allerdings aus Altarbildern, die nach der Auflösung von Klöstern und Kirchen durch Napoleon in die Sammlung gelangten. Napoleon, das heisst auch: Die berühmtesten Werke der grossen Meister sind nicht hier in der Brera zu sehen, sondern im Louvre. Napoleon hatte durchaus Kunstverstand und dafür gesorgt, dass die besten Stücke künftig in Paris zu Hause sein würden. Jene, die ihm nicht so wichtig erschienen, durften in Mailand bleiben...

 

 

Palazzo Brera.

 

Innenhof der Brera.

 


Im Zweiten Weltkrieg konnte zwar die Sammlung vor den Bomben in Sicherheit gebracht werden, aber das Gebäude selbst erlitt 1943 schwere Treffer, die fast alle Gemäldesäle zerstörten. Durch grosszügige Spenden alteingesessener Mailänder Familien konnte der Palazzo Brera und die Pinacoteca ab 1946 sozusagen aus den Ruinen auferstehen und schliesslich dem Publikum wieder zugänglich gemacht werden.

 

Die über dreissig Gemäldesäle der Pinakothek sind im ersten Stock des Palazzo untergebracht; im Parterre befindet sich auch heute noch die Accademia di Belle Arti di Brera, die 1776 durch Kaiserin Maria Theresia von Österreich gegründet wurde.

 

Seit Jahrzehnten versucht die Brera, aus dem altehrwürdigen Museum ein modernes zu machen. Es wurden schon zahlreiche Pläne dafür geschmiedet – und immer wieder verworfen. Das Ziel bleibt bestehen. Im Moment scheint man sich damit zu begnügen, neben all den Altarbildern und biblischen Gemälden auch einige jüngere Werke auszustellen. Dafür hat man in mehreren Sälen Schaukästen eingerichtet, in denen italienische Künstler der Moderne präsentiert werden – da trifft man dann auch schon mal auf Modigliani & Co.

 

 

Kunst des 20. Jahrhunderts in der Brera.

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Gentile Bellini (1432-1507)
und Bruder Giovanni Bellini (1430-1516).

Predica di San Marco in Alessandria,

1504-1507. Brera Milano.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Highlights der Sammlung

 

Raffael (1483-1520). Sposalizio Della Vergine, 1504.

 

Die Jungfrau Maria wird mit Josef vermählt.

 

Raffael: Die Vermählung der Jungfrau

 

Das berühmteste Frühwerk des Raffael. Als er es im Alter von 20 Jahren schafft, ist er noch Schüler von Perugino. Dieser malte zwei Jahre früher das gleiche Sujet – und Raffael übertrifft seinen Meister um Längen. Besonders die Zentralperspektive beherrscht er perfekt und zudem stellt er die Figuren viel farbiger, realistischer und dynamischer dar.

 

Und wen heiratet hier die 12-jährige Maria? Ja, es ist natürlich Josef! Das kommt zwar in der Bibel nicht vor, aber in einem apokryphen (verborgenen) Evangelium des Jakobus. Dort heisst es: «Als sie zwölf Jahre alt wurde, berieten sich die Priester und sprachen: Seht, jetzt ist Maria im Tempel des Herrn zwölf Jahre alt geworden. Was sollen wir also mit ihr tun, damit sie das Heiligtum des Herrn, unseres Gottes, nicht unrein macht?». Daraufhin beschlossen die Priester, sie Josef anzuvertrauen. Der war nicht begeistert. «Ich habe schon Söhne und bin ein alter Mann, sie aber ist eine junge Frau. Da werde ich doch zum Gespött für die Söhne Israels!». Doch die Priester liessen nicht locker. «Da nahm sie Josef voll Furcht in seine Obhut».

 

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Piero della Francesca (1414-1492). Madonna col Bambino e Santi, Angeli e Federico da Montefeltro,
1465-70.

 

Piero della Francesca: Der Brera-Altar

 

Auch Piero, siebzig Jahre vor Raffael zur Welt gekommen, beherrscht den Umgang mit der Perspektive perfekt, wie an der Architektur gut zu erkennen ist. Auftraggeber für das Gemälde ist der Herzog Federico da Montefeltro (rechts im Bild kniend in Ritterrüstung). Er muss ein sehr frommer Mann gewesen sein, lässt er doch eine ganze Reihe von Heiligen in seinem Bild verarbeiten. Von links nach rechts sind dies: San Giovanni Battista, San Bernardino da Siena, San Girolamo, San Francesco d'Assisi, San Pietro martire, San Giovanni Evangelista. Und weil das nicht reicht, werden diese in der zweiten Reihe noch durch bildschöne Engel verstärkt. Im Zentrum die betende Madonna mit dem schlafenden Bambino. Es trägt Korallen um den Hals, ein biblisches Symbol für Leben und Tod, aber auch für die Auferstehung.

 

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Andrea Mantegna (1431-1506). Cristo Morto nel Sepolcro e tre Dolenti, 1483.

 

Andrea Mantegnas verkürzter Christus

 

Eines der berühmtesten Werke des venezianischen Malers. Hier spielt die aussergewöhnliche Perspektive die entscheidende Rolle. Niemand zuvor hat Christus so dargestellt. Mantegna experimentiert so lange, bis er die «Verkürzung» im Griff hat. Andere wollen es ihm später nachmachen – viele scheitern.

 

Nur Nebenrollen spielen die Trauernden. Die weinende Jungfrau Maria mit Taschentuch, der betende heilige Johannes und ganz im Hintergrund, nur angedeutet, eine verzweifelte Frau, vielleicht Maria Magdalena.

 

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Antonio Canova (1757-1822).
Napoleon als Mars, 1806/1811.

 

Mars in Raum XV

 

 

Antonio Canova und der nackte Napoleon

 

Zu Kaiser Napoleon hatte der italienische Bildhauer einen guten Draht. 1806 erschuf er in seinem Auftrag die Kolossalstatue «Napoleon als Mars» in Marmor. Der von Napoleon eingesetzte Vizekönig von Italien, Eugène de Beauharnais, bestellte Bronzeabgüsse davon. Einer steht heute im Innenhof der Brera. Die «goldene» Version wurde am 15. August 1809 bei der Eröffnung der Pinakothek im Raum XIV aufgestellt, wo sie bis heute die Besucher empfängt.

 

Das Marmor-Original hat eine ganz besondere Geschichte. Nach Napoleons Sturz 1815 kaufte die englische Regierung dem Louvre den Napoleon-Mars für 66'000 Francs ab und schenkte sie dem Bezwinger Napoleons, dem Duke of Wellington, für seine grossen Verdienste. Wellington nahm das Geschenk dankend an und stellte es stolz in seinem Wohnhaus in London auf, im >Apsley-House.

 

 

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Gentile Bellini (1432-1507 e Giovanni Bellini (1430-1516). Predica di San Marco in Alessandria,
1504-1507.

 

 

Detail: Die Schleierfrauen in Alexandria.

 

 

 

Gentile und Giovanni Bellini:
Die Predigt des hl. Markus in Alexandria

 

Ein Monumentalwerk von fast acht Metern Breite. Begonnen und beinahe fertiggestellt wurde es 1504 vom venezianischen Maler Gentile Bellini. Nach seinem Tod übernahm sein Bruder Giovanni – zu jenem Zeitpunkt auch schon 77 Jahre alt – die letzten Schliffe. Was genau von wem stammt, ist umstritten.

 

Die Hauptfigur ist der predigende Heilige Markus auf einem imaginären Platz in Alexandria in Ägypten. Die Idee für das Bild holten sich die Brüder Bellini auf ihren ausgedehnten Reisen an osmanische Orte, darunter auch Konstantinopel. In diesem Werk lassen sie ihre Erfahrungen einfliessen. Die Basilika-Moschee im Hintergrund kommt als fiktive Mischung aus dem venezianischen San Marco und der Hagia Sofia daher. Imposant auch der Aufmarsch der verschleierten Frauen und der Türken mit Turbanen. Um die Exotik noch zu verstärken, bauten die Künstler Dromedare und sogar eine Giraffe ins Bild ein.

 

 

Giambattista Tiepolo (1696-1770). Le Tentazioni di Sant'Antonio, 1724-25.

 

Giambattista Tiepolo: Der hl. Antonius

 

Tiepolo, noch ein grosser Name in der Brera. Der Venezianer gilt als Meister der «maniera magnifica» mit ihrer edlen Kunst des ausklingenden Barock. In diesem Werk, das im Malstil schon erstaunlich «modern» erscheint, verarbeitet der Künstler die Geschichte des hl. Antonius, der vollkommen sein will und deshalb in die Wüste zieht, wo er zahlreichen Versuchungen widerstehen muss.

 

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Francesco Hayez (1791-1882).
Il bacio, 1859.

 

Hayez an der Brera-Fassade.

 

Francesco Hayez (1791-1882). Odalisca, 1839.

 

 

Francesco Hayez – eine Trouvaille

 

Wer ist Hayez? Dieser Name war mir vor der Kunstreise nach Milano kein Begriff – hinterher schon. Denn in fast allen Mailänder Museen trifft man auf ihn. Seine attraktiven Bilder sind schwer zu übersehen, es sind richtige Hingucker, an denen man automatisch hängen bleibt.

 

Sein berühmtestes Werk heisst «Der Kuss». Auf den ersten Blick wirkt es romantisch, doch es hat einen politischen Hintergrund. Es ist eine Abschiedsszene, der Mann muss in den Krieg ziehen. Die beiden sich Umarmenden stehen für die Länder Italien und Frankreich – gut zu erkennen an den Nationalfarben der Gewänder. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Werks waren Italien und Frankreich in ständige Kriegshändel verstrickt.

 

Für die Marketingabteilung der Brera zählte wohl eher der romantische Aspekt des Bildes. Sie liess eine riesige Fahne mit diesem Sujet anfertigen, die nun an der Fassade des Palazzo Brera hängt und den Besuchern des Museum andeutet: Hier gibt es nicht nur biblische Werke zu sehen.

 

Francesco Hayez (1791-1882) kommt in Venedig zur Welt, dort studiert er an der Accademia di Belle Arti. Ab 1820 wirkt er in Mailand und wechselt zur Schule der Romantiker. An der Kunstakademie Brera unterrichtet er als Professor. Seine Bilder zeichnen sich durch eine romantische Zartheit und lichte Farben aus, sie wirken sehr real, enthalten aber auch oft allegorische oder verborgene politische Botschaften. Hayez selbst steht für den Kampf um die nationale Einheit Italiens (Risorgimento), die dann 1871 auch erreicht wurde.

 

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Fotos / Diashow