Die Bibel – Fakten und Zahlen


Die ganz grossen Fragen der Menschheit

– woher kommen wir? weshalb leben wir? – halten uns seit ewigen Zeiten auf Trab. Und wenn unser Verstand keine Antworten findet, greifen wir zur Bibel.

 

Antworten gibt es hier zu hauf. Nur wurden diese «Antworten» von Menschen verfasst – besser: erzählt und mündlich von Generation zu Generation weiter gereicht – von Menschen, die über einen Bruchteil jenes Wissens verfügten, das heute Allgemeingut ist.

 

Sie gingen davon aus, dass die ganze Welt aus jenem Stück Land bestand, auf dem sie gerade zuhause waren. Irgendwo im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, in Mesopotamien, heute Irak, Syrien. Dass die Erde eine riesige Kugel sein könnte und gleichzeitig ein Nichts im Universum – davon konnten sie noch keine Ahnung haben.

 

Wieso suchen wir trotzdem bis heute in der von diesen unaufgeklärten und wenig wissenden Menschen erzählten Bibel nach Antworten? Weil an ihren Erzählungen doch etwas dran sein könnte? Oder weil die Wissenschaft auch mal Entspannung braucht?

 

Nur eines ist gewiss: Wer Fakten und Zahlen in der Bibel sucht, kaut an hartem Brot. Zahlen sind kryptisch verpackt und Fakten dünn gesät. Es sei denn, man nimmt es als «Fakt», dass Noah 950 Jahre lang lebte, wie die Bibel das sagt.

 

>mehr über Noah und die Sintflut

 

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Jan Brueghel d.Ä. (1568-1625). Sintflut und die
Arche Noah, 1601. Kunsthaus Zürich.

 

 

 

Die Entstehung der Bibel

 

So spärlich Fakten und Zahlen im Innern der Bibel sind, so dürr ist auch die Datenlage zur Geschichte ihrer Entstehung. Niemand weiss, wer sie erzählt oder aufgeschrieben hat. Und wann das war, liegt genau so im Dunkeln.

 

Kirchlichen Vorstellungen zufolge – nicht Quellen – ist etwa um 4000 v. Chr. die Sintflut über die Menschheit hereingebrochen, bei der nur Noah mit seiner Familie überlebt hat. Danach berichtet das Alte Testament von Abraham, seinen Nachkommen und deren Erlebnissen mit Gott. Etwa um 1600 v. Chr. soll Jakob mit seiner Familie nach Ägypten gezogen sein. Rund 400 Jahre später – unter Mose – macht er sich auf den Weg ins verheissene Land. Noch existiert nichts Schriftliches darüber – alles wird mündlich von Generation zu Generation überliefert.

 

Erst mit den israelitischen Königen Saul, David und Solomo kommen dann (teils) belegbare Jahreszahlen ins Spiel: Diese drei Könige sollen zwischen 1030 und 929 v. Chr. regiert haben. Belege gibt es allerdings auch dafür nicht.

 

Während der Regierungszeit Sauls sollen die Bücher Samuels; zur Zeit König Davids die ersten Psalmen und das Buch Ruth verfasst worden sein. Und aus dieser Zeit stammen auch die ersten Aufzeichnugen Moses und der Schöpfungsgeschichte.

 

Etwa ab 900-500 v. Chr. werden diese und weitere mündlich überlieferten Geschichten in einen grösseren Zusammenhang gestellt und theologisch verarbeitet.

 

Um 250 v. Chr. werden die Schriften in Alexandria ins Griechische übersetzt. 70 Gelehrte sollen das in 70 Tagen geschafft haben, deshalb heisst das Werk «Septuaginta», =70 auf lateinisch). Nun liegt der Tanach (=Altes Testament) komplett vor. Als Jesus auf die Bühne tritt, ist das die gültige Bibel der Juden.

 

Um das Jahr 95 n. Chr. wählen jüdische Gelehrte unter den vorliegenden theologischen Schriften 29 aus – sie akzeptieren aber nur Schriften, die ein hebräisches Original haben, die griechisch abgefasste Septuaginta fällt also weg – und setzen diese 29 als verbindlich fest: Es ist der Beginn der so genannten Kanonbildung durch Theologen.

 

In den Konzilien von Hippo und Karthago (393 bzw. 397/405 n. Chr.) tun es ihnen die Christen gleich und legen ihren eigenen Kanon aus – bestehend aus dem Alten und dem Neuen Testament (siehe Spalte rechts, Neues Testament).

 

Um 400 n. Chr. wird die «Septuaginta» auch ins Lateinische übersetzt, man nennt sie «Vulgata», «die allgemein Verbreitete». Im Mittelalter sind dann christliche Mönche damit beschäftigt, in Handarbeit kunstvoll verzierte lateinische Bibeln zu kopieren.

 

 

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Bibliothek Kloster San Marco, Florenz.

 

 

Gutenbergs neu erfundende Druckmaschinen ermöglichen es ab etwa 1450, die erste lateinische Bibel zu drucken.

 

Siebzig Jahre später übersetzt >Martin Luther die komplette Bibel (Altes und Neues Testament) in die deutsche Sprache, basierend auf den hebräischen und griechischen Urtexten. Luthers gedruckte «Vollbibel» erscheint 1534 in Wittenberg.

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Jacopo Tintoretto (1518-1594).

Moses schlägt Wasser aus dem
Felsen, 1577. Scuola Grande

di San Rocco, Venedig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Salvador Dalì (1904-1989). Genesis 1:1. «Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde». Musée Espace Dalì, Paris.

 

 

 

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Salvador Dalì (1904-1989)
Genesis 2:22 «Gott, der Herr, baute eine Frau aus der Rippe, die er vom Menschen nahm». Musée Espace Dalì, Paris.

 

 

 

>Dalìs
Bibelzyklus

 

Die Entstehung der jüdischen Bibel –
des Tanach (Altes Testament)

 

Am Anfang steht die Heilige Schrift der Juden, der Tanach. Wann dieser «Anfang» stattfand, weiss kein Mensch.

 

Der Tanach ist eine Sammlung von Erzählungen, die von der Erschaffung der Welt und der Menschen durch Gott handeln. Und vom Leben des Volkes Israel und dessen Schicksal. Schriften darüber gibt es lange Zeit keine – es sind nur mündliche Überlieferungen von Generation zu Generation.

 

Um etwa 1000 v. Chr. tauchen die ersten Schriften auf – doch diese haben nicht den Tanach zum Inhalt, sondern handeln von der Gründung des Staatswesens durch die Zwölf Stämme Israels, mit Saul als erstem König. Dessen Regierungszeit soll um etwa 1030 v. Chr. begonnen haben.

 

Ab etwa 600 v.Chr. beginnen die ersten Schreiber in den Ländern östlich des Mittelmeers mit der Aufzeichnung von mündlichen Überlieferungen des Tanachs. Schriftträger sind Papyrus, Lederrollen oder Tontafeln. Wer die Autoren sind, ist bis heute unbekannt.

 

 

Das Alte Testament (der Tanach) wird erst
im 1. Jahrhundert n.Chr. kanonisiert

 

Nach der Rückkehr der Israeliten aus dem >Babylonischen Exil (539 v. Chr.) werden die Tanach-Schriften etwa 400 v. Chr. theologisch besprochen und kanonisiert – doch dauert es noch viele weitere Jahrhunderte, bis die Gelehrten alle Schriften geordnet und entschieden haben, welche Texte Aufnahme in den Tanach finden.

 

Gemäss dem Historiker Flavius Josephus (geboren 37 n. Chr. in Jerusalem, gestorben 100 n. Chr. in Rom) ist das erst im Jahr 95 n. Chr. der Fall. Nun steht definitiv fest, was im Tanach Aufnahme findet.

 

 

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Michelangelo (1475-1564). Moses, Grabmal Julius II, San Pietro in Vincoli, Rom. Foto Jörg Bittner Unna, WikiCommons.

 

 

Thora – die fünf Bücher Mose

 

Die Thora ist der erste Teil des Tanach und umfasst die fünf Bücher Mose. Hat Moses diese Bücher geschrieben? Das weiss man nicht. Man nennt die fünf Bücher auch «Pentateuch», es sind dies Genesis, Exodus, Leviticus, Numeri und Deuteronomium.

 

Bibel-Wissenschaftler gehen davon aus, dass die fünf Bücher von verschiedenen Autoren stammen – von wem, weiss bis heute niemand. Und wann sie verfasst wurden, auch nicht. Die Chancen stehen nicht gut, dass man das je erfahren wird.

 

>1. Buch Mose, Kap. 1 die Schöpfung

>1. Buch Mose, Kap. 2 der Garten Eden

>1. Buch Mose, Kap. 3 der Sündenfall

 

 

qumran_schrift

Fragment einer «Qumran»-Tempelrolle,
3. Jht v.Chr.
bis 1. Jht n.Chr.
Israel Museum
Jerusalem.

 

Qumran-Rollen – die ältesten Thora-Texte

 

Als diese Schriften 1947 in Höhlen am Toten Meer entdeckt werden, ist das eine Sensation. Weitere Ausgrabungen in der Gegend bis 1956 bringen etwa 500 hebräische, aramäische und griechische Texte ans Licht. Die Schriften sind in tausende von Fragmenten zerfallen und erweisen sich als die ältesten Originale, die man bisher entdeckt hat.

 

Aber war das wirklich eine Sensation? So alt sind die Schriften gar nicht, denn sie stammen aus der Zeit zwischen dem 3. Jahrhundert vor Christus und dem 1. Jahrhundert nach Christus, sind also keine Urtexte, sondern Abschriften.

 

Interessant ist aber für die Bibelforscher die Erkenntnis, dass diese Schriften nur geringfügige Unterschiede aufweisen zu den Handschriften, die 500 Jahre später und auch noch danach entstanden. Das zeigt den Wissenschaftlern, dass an den biblischen Texten im Laufe der Zeit nicht so viel verändert, weggelassen oder hinzugefügt worden war, wie man bisher vermutet hat. Das war die eigentliche «Sensation».

 

 

 

paulus

Filippino Lippi (1457-1504). Paulus besucht Petrus im Gefängnis. Capella Brancacci, Kirche Maria del Carmine in Florenz.

 

 

markus

Jacob Gerritsz. Cuyp (1594-1652). Der Evangelist Markus, 1626. Kunstmuseum
St. Gallen.

 

Die Entstehung des Neuen Testaments

 

Die frühen Christen übernehmen die jüdische Bibel – den Tanach – und verwenden ihn in ihren Gottesdiensten. Gleichzeitig entstehen jetzt aber Texte, die vom Leben und Wirken Jesu Christi erzählen, von seinem Tod und von seiner Wiederauferstehung.

 

Als älteste Schrift gilt ein Brief des Paulus aus dem Jahr 50 n. Chr. Das erste schriftlich überlieferte Evangelium entsteht um das Jahr 70 n. Chr. und wird Markus zugeschrieben. Es folgen die Evangelien des Matthäus, Lukas und Johannes.

 

Um 140 n. Chr. liegen alle Schriften des späteren Neuen Testaments vor. Da taucht aus Sinope am Schwarzen Meer ein Theologe mit komplett neuen Ideen auf. Es ist Marcion (85-160 n.Chr.), ein wohlhabender Seekaufmann und Reeder. Er reist über Kleinasien nach Rom und stellt dort seinen Entwurf für eine neue Bibel vor.

 

 

>mehr über Marcion

 

 

Marcion verkündet die «reine Lehre des Christentums». Er kappt darin die Verbindung zum Judentum und damit zum Tanach. Seine Bibel besteht nur noch aus Schriften über das Leben Jesu, also aus dem Neuen Testament.

 

Das Alte Testament lässt er weg. Dieses, so erklärt er, handle von einem «bösen Gott», das Neue Testament dagegen von einem «lieben Gott». Weiter führt er aus, dass Christus nicht geboren worden sei, vielmehr sei er körperlos vom Himmel her erschienen. Und weil er keinen Körper gehabt habe, könne er auch nicht gekreuzigt, gestorben, begraben und auferstanden sein.

 

Die gerade im Entstehen begriffene katholische
(= allumfassende*) Kirche kann das nicht akzeptieren. Für sie gehört auch das Alte Testament zum Christentum.

 

Nun wird klar: Eine verbindliche Basis muss her:
Das eine Buch, auf das sich alle verständigen können, ein verbindlicher Kanon. Zuerst aber muss man noch den Häretiker Marcion los werden. Man schliesst ihn 144 n. Chr. als ersten Ketzer der Geschichte aus der Kirche aus.

 

Nun dauert es aber immer noch über 200 Jahre, ehe in den Konzilien von Hippo und Karthago (393 bzw. 397/405 n. Chr.) der erste eigene Kanon der neuen christlichen Kirche beschlossen wird.

 

Das Alte Testament beibt in der katholischen Kirche unangetastet, das Neue Testament wird auf 27 Schriften begrenzt: Es enthält jetzt noch die Evangelien von Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, dazu die Apostelgeschichte und die Apokalypse und die 21 Briefe des Paulus.

 

 

 

*katholisch (von altgriechisch katholikós =allumfassend, die Erde umfassend)

 

 

 

 

   

 

 

«Du sollst dir kein Gottesbild machen...»

 

Eigentlich ist alles klar: Die Juden, die Christen und die Moslems kennen alle das gleiche Gebot Moses': «Du sollst dir kein Gottesbild machen». Aber alle drei Religionen legen das anders aus. Wie, ist das Thema einer Ausstellung im Museum Rietberg Zürich

 

 

>Ausstellung «Im Namen des Bildes» 2022

 

 

 

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