Ausstellung «Jain sein –
Kunst und Leben einer indischen Religion»
Museum Rietberg Zürich, 18.11.22 bis 30.4.2023

 

Der Jainismus


Der Jainismus ist zeitgleich mit dem Buddhismus entstanden, etwa im 6. Jahrhundert vor Christus und in der gleichen Gegend, im Nordosten Indiens im Grenzgebiet zu Nepal, im heutigen Bundesstaat Bihara.

 

Der Buddhismus-Gründer Siddhartha Gautama lebte von 563-483 v.Chr., der Gründer des Jainismus, der Jina Mahavira, kam je nach Quelle zwischen 599 und 539 zur Welt.

 

 

Ausstellungsplakat

 

 

Schätzungen zufolge gibt es weltweit zwischen vier und sechs Millionen Jainas, hauptsächlich in Indien. Es gibt auch kleinere Gemeinschaften von Jainas in einigen anderen Ländern, wie den USA, Großbritannien, Kanada und Kenia. Jainas machen nur einen kleinen Teil der indischen Bevölkerung aus, aber sie haben einen bedeutenden Einfluss auf die Kultur und das Denken Indiens gehabt.

 

 

 

Was unterscheidet den Jainismus
vom Buddhismus?

 

Zuerst die Gemeinsamkeiten: Beides sind spirituelle Lehren, die im antiken Indien entstanden sind. Beide Lehren betonen die Bedeutung von Gewaltlosigkeit (Ahimsa) und von Meditation, beide verehren in erster Linie ihre Lehrmeister.

 

Während die Buddhisten keine übernatürliche Wesen (Gottheiten) verehren, glauben die Jains zwar an eine Reihe von Gottwesen, doch sehen sie diese nicht verantwortlich für das menschliche Schicksal.

 

Die Jains leben eine ausgeprägte, extreme Form von Respekt gegenüber Lebenwesen. Tiere dürfen nicht leiden und nicht verletzt werden, geschweige denn getötet und gegessen. Auch Pflanzen werden mit besonderem Respekt behandelt.

 

Der Jainismus legt besonderen Wert auf die Askese und den Verzicht auf materielle Dinge. Im Buddhismus ist es wichtiger, ein geregeltes Leben zu führen und den Lehren des Buddha zu folgen. Dafür muss man die >edlen vier Wahrheiten und den «achtfachen Pfad» befolgen.

 

Und was passiert nach dem Tod? Beide Religionen kennen die Reinkarantion. Heisst: Nach dem Tod wird die Seele wiedergeboren, in einem Menschen oder in einem Tier – je nach Karma (gute oder schlechte Taten im abgelebten Leben). >mehr

 

Es gibt aber einen Unterschied: Im Jainismus geht man davon aus, dass nur Lebewesen eine Seele besitzen, die für ihre Handlungen verantwortlich sind – also nur die Menschen. Es kann aber sein, dass die Seele eines Menschen in einem tierischen Körper wiedergeboren wird, nämlich dann, wenn sein Karma nicht ausreichend gut war, um in einem Menschen wiedergeboren zu werden.

 

Beide Religionen verfolgen letztlich das Ziel, den Kreislauf von Geburt und Tod irgendwann zu beenden. Das bedeutet: Es wird kein «ewiges Leben» versprochen wie bei den Christen oder den Muslimen.

 

Die Buddhisten streben vielmehr das Nirvana an, also einen Zustand der Erleuchtung und vollständigen Befreiung von allen karmischen Bedingungen. Erreicht man das Nirvana, wird die Seele vom Kreislauf der Wiedergeburten befreit. Im Jainismus verhält es sich ähnlich: anstelle der Bezeichnung Nirvana verwenden die Jains aber den Begriff Moksha.

 

 

>mehr über Hinduismus-Buddhismus-Jainismus

 

 

 

 

Titelbild

Das Siddhacakra zeigt in Gestalt einer
Lotusblüte die Gruppe der fünf von den
Jainas verehrten Persönlichkeiten:
Die Erlösten und die Vollendeten, die religiösen
Führer und spirituellen Lehrer sowie die Asketen.

Rajasthan, 18. Jahrhundert, Malerei auf Papier, Kupferschale und Glas. Museum Rietberg Zürich.

 

 

 

>Liste der 24 Tirthankaras/Jinas

 

>Vergleich Jainismus_Buddhismus_Hinduismus

 

>Die edlen vier Wahrheiten des Buddha

 

>Leben nach dem Tod in diversen Religionen

 

 

 

 

>Ausstellungstext Museum Rietberg «Jain sein»

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

Jina Rishabha,
11. Jht, Rajasthan. Museum Rietberg Zürich.

 

 

Höchste Verehrung der Lehrmeister

 

Jains glauben nicht an einen Gott, der die Geschicke der Menschen leitet, sondern verehren 24 mythische Lehrer, die sie als Jinas («Sieger») oder Tirthankaras («Erleuchtete») bezeichnen.

 

Der erste Jina/Tirthankara Rishabha soll um etwa 1500 v. Chr. in Pithunda gelebt haben, im Königreich Kalinga an der Ostküste Indiens.

 

Der 24. und bisher letzte Jina war Mahavira, der zwischen 599 und 539 vor Christus zur Welt kam (je nach Quelle). Die Jains glauben, dass in ferner Zukunft weitere 24 Jinas erscheinen werden.

 

Tafel mit den 24 Jinas. Malerei auf Papier, 20. Jht. Museum Rietberg Zürich.

 

Die bisherigen 24 Jinas

 

Das Kalpasutra, eine heilige Schrift der Jainas, verzeichnet 24 Jinas und Tirthankaras. Darin sind aber nicht alle Jinas beschrieben, es enthält aber Geschichten von Rishabha, dem ersten Jina, und vom letzten Jina Mahavira, der als Gründer des Jainismus gilt.


Die Darstellungen der 24 Jinas sind sich sehr ähnlich. Die einzelnen Jinas unterscheiden sich nur durch kleine Details wie etwa die ihnen zugeordneten Symbole und Körperfarben.

 

>Liste der Tirthankaras/Jinas

 

 

Jina Mahavira, Karnataka, Indien. 12.Jht. Chhatrapati Shivaji Maharaj Vastu Sangrahalaya, Mumbai.

 

Mahavira, der Gründer des Jainismus

 

Als Gründer des Jainismus gilt der Jina Mahavira, der in Kundalpur (Bundesstaat Bihar, im Nordosten Indiens im Grenzgebiet zu Nepal) zur Welt kam. Wann das war, ist umstritten. Einige Quellen datieren seine Geburt auf 599 v. Chr. (also noch vor Buddha), andere sehen ihn jünger als Buddha und gehen von 549 oder 539 v. Chr. aus.

 

Er soll der Sohn des Königs Siddhartha im Königreich Vaishali (heute Bihar) sein. Ähnlich wie Buddha verliess Mahavira im Alter von etwa 30 Jahren seine Familie sowie sein Königreich, liess alles zurück und wurde >Asket.

 

Zwölf Jahre lang soll er zurückgezogen als Mönch in Wald- und Bergregionen gelebt haben, bis er in die Gesellschaft zurückkehrte, um seine Lehren zu verkünden.

 

 

Göttin Ambika, Rajasthan, 11. Jht. Die Jains verehren nicht nur Jinas, sondern auch zahlreiche göttliche Wesen. Die Göttin Ambika steht für Wohlstand und Kinderreichtum.

 

Die wichtigsten Lehren des Jina Mahavira

 

Ahimsa: Das Prinzip der Gewaltlosigkeit steht im Zentrum der jainistischen Philosophie. Dieses wird nicht nur auf die Menschen angewendet, sondern auf alle Lebewesen, auch auf Planzen und Tiere.


Anekantavada: Die Vorstellung, dass Wahrheit auf viele verschiedene Arten ausgedrückt werden kann und dass keine einzige Perspektive die Realität vollständig erfassen kann.


Karma: Der Glaube, dass jede Handlung, die wir ausführen, Konsequenzen hat und dass wir aufgrund unserer Handlungen entweder positives oder negatives Karma ansammeln, das dann darüber entscheidet, wie das Folgeleben aussieht.


Nicht-Anhaftung: Das Prinzip, nicht auf materiellen Wünschen zu beharren und Besitz loszulassen, dafür aber Gelassenheit und Gleichmut zu kultivieren.


 

Mönch mit Mundtuch beim Predigen in einem Park. Malerei auf Papier. Rajahstan, frühes 19.Jht.

 

Ahimsa – die totale Gewaltlosigkeit

 

Die Regel besagt, dass das Töten oder Verletzen von Lebewesen untersagt ist. Jede Gewaltausübung erzeugt ein schlechtes Karma, was sich auf die Zukunft negativ auswirkt.

 

Jains versuchen sogar, das Beschädigen von Pflanzen zu vermeiden. Sie tragen einen Mundschutz, um Insekten nicht zu verletzen oder zu töten. Auch die Gewinnung von Honig ist untersagt, weil dies als Gewaltanwendung gegen die Bienen gilt.

 

 

Einige der jainistischen Mönche gehen nackt.

 

Feger, um die Sitzflächen zu reinigen.

 

Das Leben jainistischer Asketen

 

Der Tagesablauf folgt strengen Regeln. Einen grossen Teil des Tages verbringen die Mönche und Nonnen mit Meditation und dem Studium der heiligen Schriften.
Ausser ihrer Kleidung führen sie nur wenige Gegenstände mit sich, denn Besitzlosigkeit ist Teil des asketischen Lebens.

 

Besonders streng wird diese Vorschrift von den Digambaras ausgelegt, deren Ordensregel den Mönchen sogar den Besitz von Kleidung verbietet. Stattdessen gehen diese Asketen nackt. Ein unverzichtbarer Gegenstand im Besitz aller Jain-Mönche und -Nonnen ist ein Feger, mit dem sie die Flächen reinigen, auf denen sie sich niederlassen wollen. Er dient er dazu, Lebewesen sanft zu entfernen, damit diese nicht verletzt oder getötet werden können.

 

 

Der kosmische Mann.

 

 

 

Darstellungen von
jainistischen Höllen, 19.Jht.

 

 

Götterhimmel – Welt – Hölle

 

Der Kosmos der Jains besteht aus drei übereinander gelagerten Ebenen: In der Mitte befindet sich die scheibenförmige Welt, in der die Menschen und Tiere leben. Darüber ist der Götterhimmel, darunter die Unterwelten mit den Höllen.

 

Der kosmische Mann

 

Im kosmischen Mann wird die Struktur des Universums in einer geometrisch vereinfachten Form illustriert. Himmel, Mittelwelt und Hölle sind in die Figur eingebettet.


Die Welt wird als Scheibe dargestellt. Der Berg Meru ist der Wohnsitz der Götter und erhebt sich im Zentrum des Universums. Um ihn kreisen die Sonne und der Mond, die Sterne und die Planeten, die den Lauf von Tag und Nacht beeinflussen. Die Macht der Götter ist beschränkt – sie bezieht sich lediglich auf ihren jeweiligen Herrschaftsbereich.

 

Die Bewohner der jainistischen Höllen sind fürchterlichen Qualen ausgesetzt. Die in der Folter erlittenen Verletzungen sind aber nicht tödlich – stattdessen setzt sich der Körper nach Folter und Zerstückelung wieder zusammen, um erneut gepeinigt zu werden.

 

 

Wiedergeburt als Mensch oder als Tier?

 

Leben nach dem Tod – die Reinkarnation

 

Die Jains glauben, dass nach dem Tod die Seele wiedergeboren wird. Diese Wiedergeburt wird durch das Karma, das sich im Laufe des Lebens angesammelt hat, bestimmt. Karma ist eine Art spirituelles Gesetz, das besagt, dass jede Handlung, die man ausführt, Konsequenzen hat, die das neue Leben bestimmen.

 

Das Karma entscheidet, ob man als Mensch oder als Tier wiedergeboren wird. Die Art und Weise, wie man handelt und denkt, beeinflusst das Karma.

 

Moksha/Nirvana. Der Jainismus sieht eine Wiedergeburt als Mensch als besonders wertvoll an, da dies die beste Chance bietet, um das Ziel der Befreiung von der Wiedergeburtskette zu erreichen (Moksha/Nirvana).

 

 

>Leben nach dem Tod in verschiedenen Religionen

 

 

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Fotos Ausstellung «Jain sein»