Ausstellung «Markus Raetz – oui non, si no, yes no»
im Kunstmuseum Bern vom 8.9.23 bis 25.2.2024

 

Markus Raetz (1941-2020)

 

Seine Kunst ist zauberhaft. Raetz' optische Spielereien
bringen das Publikum zum Schmunzeln und wecken in diesem den Jagdinstinkt. Denn wer ein Raetz-Werk verstehen will, muss es umlaufen und den idealen Betrachtungswinkel suchen. Wenn dann der Aha-Effekt eintritt, wird das Ganze zu einem Erfolgserlebnis.


 

Ausstellungsplakat

 

 

Diese Ausstellung ist einzigartig – vor allem, weil sie die Leute miteinander verbindet. Da kommen plötzlich Menschen in ein Gespräch, die sich noch nie im Leben gesehen haben. Man kommuniziert, man gibt sich gegenseitig Tipps: aus welchem Blickwinkel betrachtet man Raetz' optische Spielerei am besten? Und dann freut man sich gemeinsam, wenn die Erleuchtung da ist. Dieses Miteinander macht gute Laune und prägt die ganze Ausstellung.

 

 

 

Markus Raetz mit 50 Jahren.

Foto 1991, ©Estate Ad Petersen.

 

 

Wer ist dieser geniale Zauberer? Markus Raetz

kommt am 6. Juni 1941 in Bern zur Welt. In Büren an der Aare wächst er auf. Lust auf Kunst vermitteln ihm die Zeichnungen seines Vaters. Mit der Bildhauerei macht ihn Piero Travaglini (1927-2015) vertraut, der in seiner Nachbarschaft in Büren an der Aare wohnt.

 

Eine Kunstschule besucht Raetz nie. Zunächst arbeitet er als Primarlehrer, dann ab 1963 als freischaffender Künstler in seinem Atelier in Bern. Prägend für ihn ist der Kontakt zur Kunsthalle Bern und zu dessen Leiter Harald Szeemann (1933–2005). Dank Szeemann ist Raetz an der wichtigen Ausstellung «When Attitudes Become Form» vertreten. 1968 nimmt er im Kunsthaus Zürich an der Ausstellung «Wege und Experimente – dreissig junge Schweizer Künstler» teil. Im gleichen Jahr zeigt Raetz sein Schaffen an der documenta 4 in Kassel.

 

1969 zieht er mit seiner Partnerin Monika Müller nach Amsterdam, 1972 bekommt das Paar eine Tochter, Aimée. In Basel erhält Raetz seine erste Einzelausstellung «Zeichnungen und Objekte», ein Jahr später eine weitere im Goethe-Institut in Amsterdam. 1976 kehrt er mit seiner Familie nach Bern zurück. 1978 bezieht er sein neues Atelier an der Sandrainstrasse in Bern.

 

Nach einer umfassenden Retrospektive im Kunsthaus Zürich vertritt er 1988 die Schweiz an der 43. Biennale in Venedig und zeigt seine Werke in einer Einzelausstellung im New Museum of Contemporary Art in New York.

 

In den 1990er-Jahren folgen Ausstellungen in San Diego, Genf, London, Helsinki. Im gleichen Stil geht es nach der Jahrtausendwende weiter: Paris, Nîmes, Salzburg, Basel, Vevey, Lugano.

 

Raetz' Schaffen im groben Überblick: In den 1960er-Jahren macht er konkrete Kunst und Pop Art; in den 70ern dann mehrheitlich Zeichnungen und Aquarelle; in den 80ern «materialisiert» sich die zeichnerische Linie mit Blättern, Zweigen und Plastik. In den 90er-Jahren werden seine Werke raumgreifend und spielen in der dritten Dimension – manchmal auch und für den Betrachter oftmals verwirrend – in der vierten und fünften Dimension (falls es das gibt).

 

Markus Raetz wird 79 Jahre alt. Er stirbt am
14. April 2020 in Bern.

 

 

Raetz' Kunst besteht nicht nur aus feinen
Figürchen, sondern auch aus Grossplastiken

wie diese hier: Mimi, die Monumentalfigur

aus 14 Eichenholzklötzen. 1979 und 2004.

Nachlass Markus Raetz, Bern.

 

 

Titelbild

Markus Raetz (1941-2020).

OUI-NON 26, Bern 1996–1999.

Nachlass Markus Raetz, Bern.

 

 

 

 

 

Markus Raetz (1941-2020). Madame et Monsieur, 2009.

 

 

 

 

 

Raetz' wundersame Metamorphosen

 

Man steht vor diesen Figürchen aus dünnem Eisendraht – und versteht die Welt nicht mehr.

Wie kann es möglich sein, dass aus dem Mann plötzlich eine Frau wird und umgekehrt? Und was läuft da ab, wenn sich das Paar zunächst in die Augen schaut und im nächsten Augenblick sich die Frau in Trotzhaltung vom Mann abwendet...?

 

Dabei verändern sich die aus zwei Millimeter dünnem Eisendraht geformten Figuren in keinster Weise, Madame et Monsieur sind unverrückbar auf einer Platte aus Eichenholz fixiert.

 

Was sich ändert, sind nur die Blickwinkel der Betrachter:innen, während diese um das Figurenpaar herum wandern und es von allen Seiten betrachten.

 

Aber das erklärt noch nicht, wie der Künstler es geschafft hat, die Drähte so zu biegen, dass all diese spektakulären Effekte erreicht werden. Das lässt sich nicht erklären. Nur ein genialer Künstler wie Raetz verfügt über die Vorstellungskraft, sich bildlich vorzustellen, was passiert, wenn man einen Draht so oder so verbiegt.

 

Markus Raetz' optische Illusionen haben internationale Beachtung gefunden. 2009, also im Jahr der Erstehung von «Madame et Monsieur» richtete er in Paris eine Ausstellung unter dem Titel «Nichts ist eindeutig, alles hat auch eine
andere Seite
» aus.

 

 

   

 

Markus Raetz (1941-2020).
Ohne Titel (Bikinigirl), 1988. Nachlass Markus Raetz Bern.

 

 

 

Bikinigirl aus lauter Kuben – wie geht das?

 

Noch so ein Beispiel einer ebenso unfassbaren wie unerklärlichen Metamorphose. Wie sollen aus dieser Ausgangsgangsform (links) aus lauter Kuben vier verschiedene Bikinimädchen werden? Mal nach links blickend, mal nach rechts, mal füllig, mal ganz schlank? Nur der Künstler kennt die Antwort. Dem Publikum bleibt nur das Staunen.

 

 

 

 

 

 

Markus Raetz (1941-2020). Nichtpfeife, 1990_1992. Privatsammlung Bern.

 

Frei nach Magritte: Dies ist keine Pfeife

 

Mit dieser Arbeit bezieht sich Markus Raetz auf
den grossen belgischen Meister des Surrealismus >René Magritte, dessen Markenzeichen sein berühmter Satz «Ceci n'est pas une pipe» ist.

 

Raetz zeigt eine Skulptur, die irgend ein abstraktes Gebilde darstellt. Wenn man sie umrundet und am richtigen Ort stehen bleibt, dann taucht plötzlich Magritte's Pfeife auf, zum Greifen nah. Und wie bei Magritte ist es nur eine optische Illusion. Bei Magritte ist es «das Bild einer Pfeife» und nicht «the real thing» – bei Raetz eine dreidimensionale Skulptur, die optisch an eine Pfeife erinnert.

 

 

 

Markus Raetz (1941-2020).
Le Paquet, 2008–2011/12. Privatbesitz Zürich.

 

Das Paket, das keins ist...

 

Eine erstaunliche Spielerei mit optischer Täuschung. Die Täuschung ist so perfekt, dass vor allem das Kameraauge darauf reinfällt. Während das menschliche Auge – zwei Augen! – noch erkennen kann, dass es sich hier bloss um ein bemaltes, flaches Blech mit einem leichten Knick handelt (!), ist die Kamera komplett überfordert – sie bildet ein wahrhaftig erscheinendes Paket ab.

 

Warum dies? Weil die Kamera nur durch eine Linse blicken kann. Das Wahrnehmungsvermögen des menschlichen Auges hingegen ist dank zweier Blickwinkel deutlich leistungsfähiger.

 

 

 

Markus Raetz (1941-2020). Form im Raum, 1991. Mann mit Hut. Nachlass Markus Raetz, Bern.

 

Markus Raetz (1941-2020). Form im Raum, 1991. Hase. Nachlass Markus Raetz, Bern.

 

Hasenspiegel, 1988_2000. Nachlass Markus Raetz, Bern.

 

 

Mann mit Hut und Hase

 

Der Drahthase sitzt vor einem Spiegel. Wenn man ihn von der richtigen Stelle aus betrachtet, sieht man ihn im Spiegel – aber nicht mehr als Hase, sondern als Mann mit Hut. Das ist aber nicht irgend ein Mann mit Hut – sondern stellt den berühmten deutschen Künstler >Josef Beuys dar. Der Hase gehört zu Beuys, seit dieser 1965 in Düsseldorf eine Kunstaktion veranstaltete, in der er einem toten Hasen drei Stunden lang seine Werke erklärte – während das Publikum draussen warten musste.

 

 

Hasenspiegel, 1988/2000. Nachlass Markus Raetz.

 

 

Das Thema «Mann mit Hut und Hase» greift Raetz auch noch in einer Eisenplastik auf. Ursprünglich wollte er hier auch einen Spiegel einsetzen, entschied sich dann aber für eine Skulptur, die man umrunden soll, um die Metamorphose zu erkennen.

 

 

 

Markus Raetz (1941-2020).
SI-NO, Bern, 1996. Nachlass Markus Raetz, Bern.

 

SI / NO – und dann die Erleuchtung...

 

Uff! Endlich mal ein Werk, das leicht durchschaubar ist und das man auf Anhieb versteht. Das Gebilde «SS_O» als Ausgangslage erklärt sich deutlich einfacher als das Drahtgebilde von «Madame et Monsieur» (siehe oben). Hier werden die zwei «S» – frontal betrachtet – zu einem «N», und das «O» zu einem «I». Si, si, das haben wir verstanden.

 

 

 

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Ausstellung Markus Raetz 2024

Werke chronologisch geordnet

 

 

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