Pipilotti Rist (1962)


Alle Welt nennt sie Pipilotti. Aber eigentlich heisst sie Elisabeth Charlotte. Ihren Künstlernamen hat sie sich bei Pipi Langstrumpf abgeguckt. Und gleich dazu auch deren freche kindliche Freude.

 

Pipilotti Rist spielt mit allem, was mit Licht, Farbe, Sound, Movie und Action zu tun hat. Sie versteht es, alle ihre bunten und teils schrägen Ideen in Kunst umzusetzen. Seit 1986 im Geschäft, ist sie heute die bekannteste Video-Künstlerin der Schweiz. Sie lebt und arbeitet in Zürich.

 

 

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Pipilotti Rist in einem Interview zu ihrem
Werk «I'm not the girl who misses much»
Foto ab Video auf YouTube.

 

 

Pipilotti Rist wird 1962 in Grabs SG geboren, im Rheintal. Mit 20 beginnt sie ihr Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. Hier befasst sie sich mit Fotografie und Gebrauchskunst.

 

Nun will sie professionelle Videotechnik lernen. An der Schule für Gestaltung in Basel studiert sie deshalb von 1986 bis 1988 Audiovisuelle Kommunikation. Dann arbeitet sie freiberuflich als Computergrafikerin für industrielle Videostudios.

 

Auch Musik spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben: Von 1988 bis 1994 ist sie Mitglied der Band «Les Reines Prochaines».

 

Ihre ersten Werke entstehen 1986. Im verschwommen gedrehten Video «I'm not the girl who misses much» tanzt sie barbusig in einem schwarzen Kleid und singt dazu quietschend. Nervig. In ihrem Werk von 1992 «Pickelporno» befasst sie sich dann mit der sexuellen Erregung des weiblichen Körpers – und erregt damit internationales Aufsehen. Körper und Sinnlichkeit sind bei ihr immer wiederkehrende Themen. Sie befasst sich aber auch mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft.

 

1997 ist sie auf der Biennale in Venedig vertreten und wird dort mit dem Premio 2000 ausgezeichnet. Dann ehrt man sie mit der Ernennung zur künstlerischen Direktorin an der Landesausstellung EXPO 02. Im gleichen Jahr nimmt sie eine Gastprofessur an der University of California in Los Angeles an.

 

2004 wird sie in Berlin mit dem «01 award» für ausserordentliche künstlerische Leistungen im Multimediabereich geehrt. Gleichzeitig wird sie zur Honorarprofessorin an der Universität der Künste Berlin ernannt. 2009 gewinnt sie den Preis der Fundaciò Joan Mirò und 2014 den Meret-Oppenheim-Preis.

 

2016 bietet ihr das Kunsthaus Zürich eine grosse Retrospektive. Sie läuft unter dem Titel «Dein Speichel ist mein Taucheranzug im Ozean des Schmerzes» und ist eine gekonnte Show von Licht, Sound, Videokunst und zahlreichen spassigen Einfällen. Die Ausstellung wird zum grossen Publikumserfolg.

 

 

 

 

 

 

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Der «Leuchtturm» von Pipilotti Rist vor dem neuen Kunsthaus.

 

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Auch über die Fassade des alten Kunsthauses werden Lichter gleiten.

 

E.T.

Augen von E.T.?

 

 

Pipilotti beleuchtet das Kunsthaus Zürich

 

Ihr jüngstes Werk ist im September 2020 zwischen dem alten und dem neuen Kunsthaus aus dem Boden gewachsen. Eine exotische, gelb-violette Pflanze mit krummem Stamm. Ein «Leucht»-Turm im wahrsten Sinne des Wortes. In seinem Haupt – E.T. lässt grüssen – stecken mehrere HighTech-Lichtprojektoren, die dem Heimplatz und den beiden Kunsthäusern ein neues (Nacht)Leben einhauchen.

 

«Tastende Lichter» nennt Pipilotti ihr Werk.

 

Der Heimplatz wird ja nicht nur von den zwei Kunsthäusern, sondern auch noch vom Schauspielhaus eingesäumt. Auch dieses ist in das neue Beleuchtungskonzept einbezogen, das die Stadt «Plan Lumière» nennt.

 

Die «tastenden Lichter» und der «Plan Lumière» sind so synchronisiert, dass eine Nachtbeleuchtung für den ganzen Heimplatz entsteht. Farbige Lichtpunkte gleiten langsam entlang der Fassaden und eine Videoprojektion wird Fassadendetails und Skulpturen des Moserbaus zum Leben erwecken.

 

Der von Pipilotti Rist gestaltete farbige Mast enthält sechzehn Projektoren für die Fassaden-Beleuchtung. Dazu fünf «Moving Head»-Geräte für die tastenden und gleitenden Lichter.

 

Weitere 16 kleinere Geräte sind auf den Dächern der umliegenden Häuser am Heimplatz montiert. Diese dienen einer kontinuierlichen Fassaden-Beleuchtung.

 

 

 

 

Pixelwald Turicum, 2021.

 

 

Pixelwald Turicum im Chipperfieldbau

 

Es wäre auch zu schade gewesen, den Pixelwald der Ausstellung 2016 zu «beerdigen». Nun lebt er weiter als permanente Installation im ersten Stock des Chipperfieldbaus neben den Gemälden der Merzbacher-Sammlung.

 

Neu heisst er «Pixelwald Turicum» und ist in einem grossen, begehbaren Raum untergebracht. Tausende von LED-Lämpchen, die in unzähligen, wechselnden Farbtönen aufleuchten, erzeugen eine traumhafte Stimmung und faszinieren die BesucherInnen.

 

Zum Lichtspektakel gehört eine betörende
Tonschau aus Musik, Waldgeräuschen und Lauten, die an Vogelstimmen erinnern. Ein Raum zum Träumen und um die Seele baumeln zu lassen.

 

 

 

   

 

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Die Besucher tauchen ein in eine Traumwelt.

 

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Der Chandelier Cape Cod – aus Unterhosen.

 

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Retrospektive 2016 im Kunsthaus Zürich

 

Das Highlight der Ausstellung 2016 ist der Pixelwald. Hier schwelgt man in Lichtern und Leuchtkristallen von ständig wechselnder Farbe. Eine Traumwelt. >mehr

 

Der Haupttitel der Ausstellung heisst
«Dein Speichel ist mein Taucheranzug
im Ozean des Schmerzes»
. Niemand weiss so genau, was man darunter verstehen soll, aber die Show, die vom 26. Februar bis 8. Mai 2016 läuft, ist ein Publikumsrenner.

 

Die BesucherInnen bekommen für den Gang durch die Schau einen Plan und eine Mini-Taschenlampe. An einigen Orten kann man sich setzen, Bücher lesen oder seinen Gedanken nachgehen. Oder sich hinlegen und träumen.

 

In anderen Ecken wird man von Videos berieselt. Auf der einen Seite läuft «Sip My Ocean» mit dem berühmten Song von Chris Isaak «Wicked Games», auf der anderen «Worry Will Vanish Horizon». Auch das berühmte Video «Ever is Over All» von 1997 ist zu sehen. Wie eine Frau genüsslich Autoscheiben einschlägt.

 

 

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Fotos der Ausstellung 2016

Frühere Werke

 

pepperminta

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2009: Pepperminta

 

Pippilotti Rist produziert ihren ersten Spielfilm. Pepperminta handelt von einer Frau, die in ihrer eigenen Welt lebt und durch Wien und Zürich zieht. Er lebt von schönen Bildern und grotesken Szenen mit psychedelischen Anklängen. Die Kritiken sind geteilt.

 

 

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Foto Kamahele,
WikiCommons.

 

 

2005: Die Stadt-Lounge in St. Gallen

Im Auftrag der Raiffeisenbank überzieht sie den Platz zwischen den Gebäuden mit einer roten Kunststoffschicht. In Zusammenarbeit mit dem Architekten Carlos Martinez.

 

 

 

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2000: Videos am Times Aquare, New York

 

Auf einem Grossbildschirm am Times Square kann Pipilotti Rist sechzehn einminütige Videos zeigen, die unter dem Titel «Open My Glade» laufen. Die Videos zeigen die Künstlerin selbst, wie sie ihr Gesicht und ihre Hände an eine Glasscheibe presst, als wäre sie in diesem Screen gefangen.

 

 

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1997: Ever is Over All

 

Das Endlosvideo zeigt eine junge Frau, die an parkierten Autos vorbei geht und mit einer Raketenblume die Fensterscheiben einschlägt. Das alles unter Beobachtung einer freundlich grüssenden uniformierten Polizistin. Immer und immer wieder, endlos.

 

 

pickelporno

Kein Video verfügbar.

 

1992: Pickelporno

 

Ihr Thema: Die sexuelle Erregung des weiblichen Körpers. Mit einem Fischauge-Objektiv bewegt sie sich hautnah den Körpern des nackten Paares entlang. Es ist ihr Versuch mit einer femininen Pornographie. Das Werk findet international Beachtung – Pipilotti Rist macht Schlagzeilen.

 

 

i'm not the girl...

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1986: I'm not the Girl who misses much

 

Ihr erstes Video. Verschwommen gedreht zeigt sie sich barbusig in einem schwarzen Kleid. Sie tanzt hektisch und singt kreischend-quietschend dazu. Ziemlich nervig. Später sagt die Künstlerin in einem Interview dazu: «Dieses Video habe ich nur ans Filmfestival geschickt, damit ich ein Gratis-Ticket bekam». Immerhin wird es gespielt.

 

   
   

 

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