Franz Gertsch (1930-2022)


Sein künstlerisches Schaffen ist weltweit einzigartig.

Mit foto-realistischen Monumentalgemälden und vor allem mit seinen exklusiven Holzschnitten hat er einen ganz neuen Kunstweg eröffnet.

 

 

Franz Gertsch, Monumentales Selbstbildnis

1981. Acrylgemälde von 257 x 391 cm Grösse.

Galerie Michael Haas ©Franz Gertsch.

 

 

Unter Holzschnitten versteht man normalerweise flächige, schwarze Abbildungen. Aber bei Gertsch entstehen sie aus fotografischen Vorlagen, die in der Endfassung so detailreich wie Buchdrucke erscheinen.

 

Aufgebaut auf tausenden, auf hunderttausenden von Punkten, die der Künstler in mühsamer Arbeit in die Druckplatte sticht. Punkt für Punkt, grosse, kleine, eng oder weit gesetzt, je nachdem, ob im Endprodukt helle oder dunkle Stellen zu erkennen sein sollen. Eine künstlerische und handwerkliche Arbeit ohne Vergleich. Sie hat ihm internationale Anerkennung gebracht.

 

Wie konnte er sich diese Geschicklichkeit aneignen? Mit handwerklichen Studien beim bernischen Maler Hans Schwarzenbach (1911-1983), dem Leiter der Kunstgewerbeschule Bern. Das beim erworbene Wissen eröffnet ihm die Möglichkeit, im Bereich Holzschnitt Grosses zu leisten. Gross im doppelten Sinn: Einerseits künstlerisch und anderseits was die Masse der Werke angeht. Sie sind monumental.

 

 

Holzschnitt von Franz Gertsch. Bildnis von
Silvia, 2001-02. Zwei Platten à 191.5 x 177 cm.
Blauer Handabzug auf Japanpapier. Besitz des
Künstlers ©Franz Gertsch.

 

 

 

Franz Gertsch kommt am 8. März 1930 in Mörigen im Kanton Bern zur Welt. Mit 17 beginnt er eine dreijährige Ausbildung in der Malschule beim Maler/Glasmaler Max von Mühlenen (1903-1971) in Bern.

 

1969 realisiert er seine ersten «foto-realistischen» Gemälde im Grossformat. Darunter sind auch Familien- und Gruppenporträts. 1972 zeigt er seine Werke an der Documenta V in Kassel, 1978 an der Biennale in Venedig.

 

1986 gibt vorübergehend die Malerei auf und beginnt mit grossformatigen Holzschnitten. 1994 kehrt er zur Malerei zurück. Es entstehen die Gemälde «Gräser I bis IV sowie die Porträts Silvia I bis III.

 

1999 hat er seine Einzelpräsentation auf der Biennale in Venedig und 2002 kann er in Burgdorf sein eigenes Museum eröffnen, grosszügig unterstützt durch seinen Förderer und Gönner Willy Michel.

 

Das Kunstmuseum Bern bietet ihm 2005 eine Retrospektive, weitere Stationen sind Aachen, Tübingen und Wien. 2011 kann er im Kunsthaus Zürich sein ganzes Schaffen von 1983 bis 2011 vorstellen.

 

Ein künstlerisches Ausrufezeichen setzt er zwischen 2007 und 2011 mit dem Vier-Jahreszeiten-Zyklus Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

 

Auch im hohen Alter von 89 Jahren setzt sich Gertsch nicht zur Ruhe. Im Gegenteil: Jetzt beginnt seine «blaue Phase». Es entsteht eine ganze Reihe von Werken, die er mit einem Ultramarinblau-Pigment malt, das aus Lapislazuli gewonnen wird.

 

 

Franz Gertsch (1930). Blauer Sommer,
2019-20. Besitz des Künstlers. Museum
Gertsch Burgdorf.

 

 

Blaue Phase im Museum Gertsch.

 

 

 

Zu seinem 90. Geburtstag lässt er sich 2020
nicht nur mit einer Präsentation im eigenen Museum in Burgdorf feiern, sondern auch mit einer Sonderausstellung im Kunstmuseum Linz.

 

Franz Gertsch stirbt am 21. Dezember 2022
in Riggisberg BE im Alter von 92 Jahren.

 

 

 

>mehr über Franz Gertsch (offizielle Website)

 

 

>Website Museum Franz Gertsch

 

 

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Franz Gertsch (1930). Meer, 2016-17.

Eitempera auf Baumwolle. 240 x 340 cm.

Besitz des Künstlers ©Franz Gertsch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Museum Franz Gertsch in Burgdorf

 

museum_gertsch

Das Museum in Burgdorf von oben...

 

...und von unten.
 

 

gertsch

Der Künstler
Franz Gertsch
und sein Förderer und Gönner Willy Michel.

 

Ein Museum für exklusive Kunstwerke

 

1998 trifft sich der Künstler mit dem Burgdorfer Industriellen Willy Michel. Dieser ist von Gertschs Arbeiten tief beeindruckt. Die beiden fassen den Entschluss, in Burgdorf auf dem zentral gelegenen Areal der ehemaligen Milka Käserei ein Museum für die Gertsch-Sammlung zu errichten.

 

Die Architekten Jörg & Sturm werden mit dem Projekt beauftragt. Baubeginn ist im Sommer 2000, im Herbst 2002 kann das Museum eröffnet werden. Willy Michel sorgt für die Finanzierung und unterstützt das Museum mit einem beträchtlichen jährlichen Beitrag.

 

Den Grundstock der Sammlung bildet die 2001 gegründete Stiftung Willy Michel. Willy Michel bringt grossformatige Gemälde und ein Konvolut an Holzschnitten ein, Franz Gertsch steuert weitere Holzschnitte als Schenkung bei. Die Sammlung umfasst Gertsch-Werke von 1984 bis heute. Darüber hinaus werden die eigenen Bestände mit Leihgaben von anderen Museen und privaten Leihgebern ergänzt.

 

Die Ausstellungsfläche beträgt fast 1000 m2 und bietet so Raum für Wechselausstellungen, die mehrmals jährlich stattfinden.

 

 

 

Werke

 

Franz Gertsch (1930). Schottland, Dalmally, 1963. Besitz des Künstlers.

 

1963: Frühwerk in Aquarell

 

Diese Landschaft in Schottland gehört zu den Frühwerken von Franz Gertsch. Ein Aquarell im Format 39 x 57 cm. Seine grossformatigen realistischen Werke, für die er heute berühmt ist (neben seinen exklusiven Holzschnitten), entstehen erst ab 1969.

 

 

johanna

Franz Gertsch (1930). Johanna I, 1983. Museum Franz Gertsch, Burgdorf.

 

 

1983: «Fotorealismus» in extremis

 

Nein, das ist keine Fotografie. Es ist ein Gemälde aus Acryl. Johanna I heisst dieses Werk aus dem Jahr 1983. Und ja, es liegt ihm eine Fotografie zugrunde.

 

Es ist in Acryl auf ungrundierte Baumwolle gemalt und misst beeindruckende 330 x 340 cm.

 

Museum Franz Gertsch, Burgdorf. Dauerleihgabe
aus Privatbesitz ©Franz Gertsch.

 

 

silvia_rot

Der Holzschnitt besteht aus tausenden von einzelnen Punkten. Von der Druckplatte werden Abzüge auf japanischem Papier gezogen.

 

 

silvia_blau

Silvia, Holzschnitt. 2001-02.
191.5 x 177 cm. Handabzug blau. Kollektion des Künstlers ©Franz Gertsch.

 

Foto und Holzschnitt – wie geht denn das ?

 

Es ist die ganz grosse Kunst. Und braucht ein enormes handwerkliches Können – plus eine unendliche Geduld. Ein Video im Museum zeigt, wie die Holzschnittproduktion abläuft:

 

Zuerst muss eine Druckplatte gefertigt werden. Sie wird aus Lindenholzbrettern zusammengebaut und erhält dann einen blauen Anstrich. Nun wird die Platte an die Wand gestellt. Der Diaprojektor wirft das Bild – in diesem Falle ist es das Porträt von Gertschs Tochter Silvia – auf die Holzplatte.

 

Nun beginnt der Künstler, mit einem Stichel den Konturen entlang Vertiefungen ins Holz zu schnitzen. Aber es sind keine Linien, sondern einzelne Punkte. Ein echtes Kunststück: Je enger die Punkte (also die Vertiefungen) gesetzt werden, desto grössere helle Stellen werden später im Druck auf dem Papier erscheinen. Sogar die Grösse der einzelnen Punkte muss variiert werden, zum Beispiel, um die Schattenwirkung zu steuern. Tausende von Punkten sticht der Künstler aus, oder sind es Millionen?

 

Wenn man ganz dicht vor dem zwei Meter grossen Bildnis der Silvia steht, sieht man kein Bild mehr. Nur noch Punkte, ohne erkennbaren Zusammenhang. Aber aus der Distanz betrachtet, sieht man die Lichter und Schatten. Unfassbar für den Laien, wie diese Wirkung zustande kommt.

 

 

 

museum_innen

 

sommer

Sommer, 2007-11.

 

sommer_holzschnitt

Holzschnitt.

 

punkte

Detail.

 

Von der Foto zum Gemälde zum Holzschnitt

 

Das Monumentalgemälde «Sommer» gehört zum Vierjahreszeitenzyklus, der zwischen 2007 und 2011 entsteht. Es misst 325 x 490 cm (!) und ist in Acryl auf ungrundierter Baumwolle gemalt. Sammlung Willy Michel ©Franz Gertsch.

 

Als Ausgangsmaterial dient ein Diapositiv, das auf die Leinwand projiziert wird.

 

Vom gleichen Fotosujet ausgehend, erstellt Franz Gertsch 2017 den Holzschnitt aus zwei Platten im Format von 190 x 245 cm. Von diesem werden Handbabzüge in verschiedenen Farben erstellt, hier die Version schwarzgrün. Als Träger wird Japanpapier von Heizaburo Iwano verwendet.

 

Bei dieser Detailaufnahme des Holzschnitts «Sommer» lassen sich die einzelnen Punkte gut erkennen: Jeder einzelne wurde vom Künstler in die Druckplatte gestochen. So präzis und so ausgefeilt, dass das Endresultat wie eine Fotografie wirkt – dabei ist es ein Holzschnitt!

 

 

 

Franz Gertsch (1930). Maria, 2011. Besitz Franz Gertsch und Maria Gertsch-Meer
@Franz Gertsch.

 

Vorlage: Gemälde aus Eitempora.

 

2011: Gattin Maria auf Guadeloupe

 

Dieser Holzschnitt besteht aus drei Platten zu
je 305 x 152 cm. Es ist ein blau-grauer Handabzug auf Japanpapier und misst zusammengesetzt stolze 380 x 566 cm.

 

Als Vorlage für den Holzschnitt dient ein Gemälde (das auf einer älteren Fotografie basiert) aus Eitempera >was ist Tempera?, das ebenfalls erstaunliche Masse aufweist: 250 x 380 cm.

 

Besitz des Künstlers @Franz Gertsch.

 

PS: Mit Gattin Maria ist Franz Gertsch seit 1963 verheiratet. Das Paar hat vier Kinder: Silvia (1963), Hanne-Lore (1965), Hans (1966), Benz (1968). Zudem hat der Künstler noch eine Tochter mit seiner ersten Ehefrau Denise: Renate (geb. 1959).

 

 

 

Franz Gertsch (1930). Gräser VIII, 2019-20. Museum Gertsch Burgdorf.

 

Franz Gertsch (1930). Blauer Waldweg (Campiglia Marittima), 2021. Besitz des Künstlers. Museum Gertsch Burgdorf.

 

 

2019: Die «blaue Phase» des Franz Gertsch

 

Als er fast 90 Jahre alt ist, beginnt er seine «blaue Phase». Sein Spätwerk besteht aus fünf gross-formatigen Gemälden mit echtem Ultramarinblau-Pigment, das aus dem in Afghanistan abgebauten Lapislazuli-Halbedelstein gewonnen wird. Für das Gemälde Gräser VIII verwendet er die hochwertigste Form, das nach alter Rezeptur hergestellte Fra-Angelico-Blau.

 

Eines seiner jüngsten Bilder entsteht 2021. Es heisst Blauer Waldweg (Campiglia Marittima) und wird zusammen mit den anderen Werken der blauen Phase 2022 erstmals im Museum Gertsch in Burgdorf ausgestellt.

 

Als Basis für dieses Werk diente eine Version aus dem Jahr 2013 in Ultramarinblau. Das neue Werk unterscheidet sich von diesem durch neue Farben. Zum Lapislazuli-Blau sind noch Schwarz-, Weiss- und weitere Blautöne dazugekommen, die der Künstler mit einem Stift aufgetragen und teilweise verwischt hat.

 

 

more

 

 

 

 

Werke Franz Gertsch, chronologisch

Sonderausstellungen im Museum Franz Gertsch Burgdorf

 

 

19.3. bis 28.8.2022

Xenia Hausner «True Lies»

 

Die 1951 in Wien geborene Künstlerin zeigt im Museum Gertsch in Burgdorf 23 grossformatige Gemälde. Ihr Markenzeichen ist ihr exklusiver Arbeitsstil: Die Künstlerin baut zunächst im Atelier Kulissen auf, in denen sie Schauspielerinnen zu einem lebendigen Bild arrangiert. Davon erstellt sie Fotografien, die dann als Vorlage für ihre Gemälde dienen. In Öl und Acryl und in satten, leuchtenden Farben. Es sind eindrückliche, mächtige Bildnisse.

 

 

>mehr über Xenia Hauser

 

 

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2.9.2017 bis 4.3.2018

Varlin «Perspektiven»

 

Zum 40. Todestag des Zürcher Künstlers Willy Guggenheim (1900-1977) zeigt das Museum Franz Gertsch eine Sonderausstellung des Malers, der sich in Paris den Künstlernamen Varlin zugelegt hat. Seine eigenwilligen Werke lassen sich nur schwer einem bekannten Stil zuordnen, avantgardistisch sind sie allemal.

 

>mehr über Varlin alias Willy Guggenheim

 

 

 

 

 

 

   
   

 

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