Strasbourg:
Musée d'Art Moderne et Contemporain


Das Museum besteht erst seit 1998. Es ist ein spektaklärer Glasbau am Ufer des Flusses Ill, mit grosszügigen Räumen und fein ausgesuchten Werken.

Gezeigt wird eine Mischung aus moderner und zeitgenössicher Kunst. Gut vertreten sind vor allem die Franzosen (von Monet über Pissarro bis Signac) und die Einheimischen, von denen Jean Arp als berühmtester Strassburger heraussticht.

 

Aber auch Internationale bekommen ihren Raum, wie zum Beispiel Kandinsky, von dem ein komplettes von ihm gestaltetes Musikzimmer zu sehen ist. Dazu Werke von Mirò, Picasso, Gauguin, Ernst, Kupka, Baselitz, Nikki de Saint-Phalle und so weiter.

 

 

Musée de l'Art Moderne et

Contemporain, Strasbourg.

 

 

Für die Präsentation der zum Teil überdimensionalen Werke ist im zweigeschossigen Glaspalast jede Menge Platz vorhanden – eine Ausstellungsfläche von insgesamt 13'000 m2.

 

 

 

 

Dieses Museum trägt erheblich zur Horizonterweiterung bei, denn hier gibt es jede Menge auch weniger bekannter Künstler zu entdecken. Wie zum Beispiel den einheimischen Bildhauer François-Rupert Carabin mit höchst interessanten Plastiken oder den Strassburger Künstler Gustave Doré (1832-1883) mit seinen monumentalen Gemälden. Und dazu viele Namen, von denen man noch nie gehört hat.

 

 

Rodins Denker im Museum.

 

 

Mimmo Paladino (1948).

Hortus conclusus, 4 Meter hoch,
Bronze und Blattgold.

 



Das zeitgenössische Dilemma

 

Alle tun es. Auch das Museum für zeitgenössische Kunst Strassburg kann es nicht lassen. Sobald sich ein Museum kontemporäre Kunst auf die Fahne geschrieben hat, erliegt es offenbar dem Zwang, in irgend einer Ecke des Hauses Schrott abzulagern und dies dem Publikum als Kunst zu verkaufen. In Strassburg darf nun ein französischer Künstler namens Bertrand Lavier ein zu Schrott gefahrenes Automobil ausstellen und das als Kunst deklarieren. War es nicht mal so, dass Kunst etwas mit Können zu tun hatte?

 

 

 

 

Tempi passati. Schrott ist salonfähig geworden. Dem Künstler ist kein Vorwurf zu machen, dass heute niemand mehr nach Können fragt. Es gibt ja genügend Museen in ganz Europa, die Schrott ausstellen und diesen zur «Installation» erklären. Zu Kunst wird dieser Schrott ja nur, weil er in einem Museum liegt. Zum Glück gibt es auch noch zeitgenössische Künstler, die mit frischen Ideen aufwarten und Kunst schaffen, die mit Können zu tun hat.

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Musée de l'Art Moderne et Contemporain.
Pferdestatue von Mimmo Paladino (1948).

Hortus conclusus, 4 Meter hoch, Bronze
und Blattgold.

 

 

 

 

>Musée des Beaux-Arts Strasbourg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Werke aus dem 19. Jahrhundert

 

Gustave Doré

 

 

Gustave Doré (1832-1883). Le Christ quittant le prétoire, 1872. Breite 9 Meter,
Höhe 6 Meter.

 

Gustave Doré (1832-1883)

 

Ein grosser Einheimischer. Der Strassburger zieht schon als Jugendlicher nach Paris und wird dort von einem Satirezeitschrift-Verleger als begabter Zeichner und Karikaturist entdeckt. Als solcher arbeitet er dann zunächst, verfolgt aber konsequent sein Ziel, Maler zu werden. 1868 eröffnet er in London seine «Doré Gallery» und stellt seine Werke aus. Die Motive seiner Bilder sind meist fantastische Landschaften mit wundersamen Lichteffekten.

 

Auch sein heute berühmtestes Gemälde
Le Christ quittant le prétoire
(Christus verlässt den Gerichtssaal) stellt er in der Londoner Galerie aus. Es wird dort gefeiert – als sein Meisterwerk.

 

Im Strassburger Museum dekoriert das überwältigende Monumentalbild von 9 Metern Breite den ersten Saal der Sammlung.

 

 

 

François-Rupert Carabin (1862-1932). La Souffrance ou l'Envie ou La Vieillesse, 1902. Nussbaumholz.

 

 

François-Rupert Carabin (1862-1932). La Danse.

 

François-Rupert Carabin (1862-1932)

 

Carabin ist gebürtiger Elsässer. Bekannt für seine Holzarbeiten, macht er sich aber auch als Goldschmied einen Namen und fertigt Keramiken.

Wegen des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 verlässt er das Elsass und zieht nach Paris, wo er sich an der École des dessins ausbilden lässt. 1884 begründet er zusammen mit >Georges Seurat, Paul Signac und Albert Dubois-Pillet die »Société des artistes indépendants».

 

Das Musée d'Art Moderne Strasbourg zeigt eine umfassende Sammlung von Skulpturen des einheimischen Künstlers. Darunter sind sowohl lebensgrosse Holzplastiken als auch kleinere grazile Keramikarbeiten.

 

In der aus Nussbaumholz gefertigten Skulptur einer alten Frau unter dem Titel «La souffrance ou l'Envie ou La Vieillesse» befasst sich der Künstler mit der Problematik des Altwerdens und stellt schon im Titel die Frage in den Raum: Ist es nur Leiden oder auch Lust? Die Haltung der verwelkenden alten Frau gibt die Antwort.

 

Beeindruckend sind seine kleinen Keramikarbeiten, die sich in unzähligen Formen dem Tanz widmen. Die Palette reicht von grazilen Einzelfiguren bis hin zu bretonischen Tanzgruppen.

 

 

 

 

Fotogalerie 19. Jahrhundert

 

 

Werke aus dem 20. Jahrhundert

 

Jean Hans Arp (1886-1966). Oiseau-Caravelle, 1965.

 

Jean Hans Arp (1886-1966). Torse des Pyrénées, 1959.

 

 

Jean Hans Arp (1886-1966)

Der berühmteste Strassburger Künstler überhaupt. Hier kommt er am 16. September 1886 zur Welt. Damals gehört das Elsass noch zu Deutschland. Ab 1901 besucht er die Kunstschulen Strasbourg und Weimar und studiert danach in Paris in der Académie Julian weiter. 1930 wird er Mitglied der Kunstgruppe «Abstraction Création» und beginnt mit der Arbeit an seinen ersten Rundplastiken. Seit 1926 ist er zwar französischer Staatsbürger, aber 1940 wird es ihm zu heiss in Paris: Die Nazis haben seine Werke als «entartet» eingestuft. Er nennt sich nun «Jean» und flieht mit seiner Gattin >Sophie Taeuber-Arp nach Südfrankreich, dann 1942 in die Schweiz.

 

>mehr über Hans Arp

 

Zu seinen bekanntesten Plastiken gehört Torse des Pyrénées. Die weichen und eleganten Kurven ähneln einem menschlichen Torso, man glaubt Hüften, Schulter und Rücken zu erkennen – dennoch ist es keine Abbildung der Natur. Die Figur bleibt abstrakt. Arp fertigt sie in unterschiedlichen Grössen und Materialien: in Bronze, Marmor und Gips.

 

 

Emmanuel Benner (1836-1896). Marie-Madeleine au désert, 1886.

 

Emmanuel Benner (1836-1896)

Auch er stammt aus dem Elsass und holt sich die künstlerische Ausbildung in Paris. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 gelingt es ihm, mehrere seiner Werke am Salon de Paris auszustellen – eines gewinnt 1879 sogar die Goldmedaille. 1896 wird er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Seine Palette ist weit gefächert. Er malt Genreszenen, Allegorisches, Porträts, Landschaften, Stillleben und viele weibliche Akte, wie diese «sündige» Marie-Madeleine in der Wüste – eine biblische Geschichte.

 

>mehr über Maria Magdalena

 

 

 

Victor Brauner (1903-1966). Strigoï, la Somnambule, 1946.

 

Self-portrait with a Plucked Eye, 1931. Quelle: WikiArt.

 

 

 

Victor Brauner (1903-1966)

 

Von diesem rumänisch-französischen Künstler besitzt das Strassburger Museum beeindruckend viele Werke. Sie geben einen guten Eindruck in das Schaffen des Surrealisten, der 1930 nach Paris zieht, wo er sich der surrealistischen Bewegung anschliesst. 1933 verhilft ihm >André Breton zu seiner ersten Einzelausstellung in Paris.

 

Brauner gehört, wie auch >Constantin Brancusi, zur bedeutenden Gemeinde von Pariser Exil-Rumänen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

 

1938 verliert Brauner bei einem Raufhändel durch einen Glassplitter das linke Auge. Mysteriöserweise hatte Brauner in den Jahren zuvor mehrere Werke geschaffen, mit denen er diesen Verlust gleichsam vorwegnahm (Self-portrait With a plucked Eye von 1931). In diesem stellt er sich selbst einäugig dar. (Im Strassburger Museum nicht ausgestellt).

 

1940 flüchtet der Maler vor den Nationalsozialisten von Paris in die Pyrenäen, später in die Alpen. Nach dem Krieg kehrt er nach Paris zurück, wo er 1966 stirbt. Er liegt auf dem Friedhof von Montmartre.

 

 

 

 

Fotogalerie 20. Jahrhundert

Werke aus dem 21. Jahrhundert

 

Alain Séchas (1955).

 

Alain Séchas (1955). Araignée, 2001.

 

 

 

Alain Séchas (1955)

 

Alain Séchas lebt und arbeitet in Paris. Bekannt ist er vor allem für seine Comic-Zeichnungen und grafische Arbeiten. Immer wiederkehrende Themen sind bei Séchas die soziale Ungleichheit und die Auswüchse der Konsumgesellschaft, aber auch der Snobismus der Kunstwelt. Mit seinen humoristischen Zeichnungen und Texten versucht er, auf diese Missstände hinzuweisen.

 

Im Strassburger Museum fasziniert er das Publikum mit einer motorisch angetriebenen Monster-Spinne, die durch das Museum spaziert. Mit ihrem Hut verkörpert die Araignée die Zylinder tragende Oberschicht, die der Künstler als Verantwortliche für die soziale Ungerechtigkeit anprangert. Ob sich das Publikum davon beeindrucken lässt? Vordergründig freut es sich vor allem an den spektakulären Beinbewegungen des Spinnenmonsters.


 

 

Richard Deacon (1949). Quick, 2009. Holz.

 

Richard Deacon (1949)

 

Der Brite Richard Deacon sieht sich weniger als Bildhauer denn als «Hersteller» von Kunstwerken. Er verarbeitet so unterschiedliche Materialien wie Holz, Stahl oder Harz und verfolgt das Ziel, die technischen Herstellungsvorgänge offen zu legen und den industriellen Schaffensprozess hervorzuheben.

 

Die geschwungenen Formen seines Holzwerkes Quick sollen von den von Leonardo da Vinci beschriebenen Wasserspiralen inspiriert sein. Für den Künstler deutet der Titel auch auf die ersten Bewegungen eines Fötus hin. Quick ist Teil einer Serie von vier Skulpturen aus dem Jahr 2007.

 

 

Bernard Dufour (1922-2016). Sans titre, 2005. Musée d'Art Moderne Strasbourg.

 

 

Bernard Dufour (1922-2016)

 

Der 1922 in Paris geborene Künstler wird während der deutschen Besatzung 1940 zu Zwangsarbeit in Deutschland verpflichtet. Nach dem Krieg hat er 1948 seine erste Einzelausstellung und bekommt dann einen Exklusivvertrag beim Kunsthändler Pierre Loeb.

 

1959 ist Dufour Teilnehmer der documenta 2 in Kassel. Ab 1960 wechselt er von der abstrakten zur figurativen Malerei. 1961 eröffnet er ein Atelier in einer alten Mühle am Fluss Aveyron in Foissac. Bekannt wird er dann für erotische Zeichnungen und skandalöse Akte. 1964 stellt er an der Biennale von Venedig aus.


 

 

Fotogalerie 21. Jahrhundert

 

>Reisetagebuch Strassburg-Saarbrücken-Trier (2024)