Ausstellung Kunst Museum Winterthur Reinhart
vom 29.2. bis 6.9.2020

 

 

Carl Spitzweg (1808-1885)


Seine Bilder machen einen schmunzeln.

Manchmal tragen sie Züge von Karikaturen. Aber Spitzweg ist kein Karikaturist, er malt einfach die kleinen Schwächen seiner bürgerlichen Mitmenschen. Er parodiert sie, aber stets liebevoll.

 

Spitzweg selbst kommt auch aus bürgerlichen Kreisen. Geboren wird er 1808 in München als Sohn eines wohlhabenden Früchtegrosshändlers. Er studiert Pharmazie und arbeitet später als Apotheker. Mit Zeichnen und Malen beginnt er schon früh, durchläuft aber nie eine akademische Ausbildung und bleibt Autodidakt. 1833 erhält er seine Erbschaft und kann sich nun ganz der Malerei widmen.

 

1835 wird er Mitglied des Münchner Kunstvereins und stellt sein erstes Werk aus, ein Landschaftsbild, das sogleich einen Käufer findet.

 

 

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Carl Spitzweg (1808-1885).

Selbstbildnis, 1836. Stiftung Kunst,

Kultur und Geschichte,Winterthur.

 

 

 

1839 malt er sein berühmtes Gemälde «Der arme Poet». Studienreisen führen ihn in die Schweiz und nach Österreich, nach Venedig und Dalmatien.

 

Für die 1844 gegründete Münchner Satirezeitschrift «Fliegende Blätter», an der auch Wilhelm Busch arbeitet, liefert Spitzweg Illustrationen. 1851 besucht er in London die Weltausstellung; in Paris kommt er mit den >Barbizon-Malern in Kontakt.

 

In den 60er-Jahren wird er mehrmals geehrt: 1865 erhält er den bayerischen Michaelsorden und 1868 wird er Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste in München.

 

Carl Spitzweg stirbt am 23. September 1885 im Alter von 77 Jahren an einem Schlaganfall. Man findet ihn zurückgelehnt in seinem Stuhl in seiner Münchner Wohnung. In München ist er auch beerdigt.

 

 

 

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Es sind nur kleine Bilder, fast Miniaturen, die an der Ausstellung gezeigt werden. Sie spiegeln das Leben der Kleinbürger in der Zeit der Wiederherstellung der Monarchien nach dem Wiener Kongress 1815.

 

Spitzwegs spitzbübische Kritiken an der Gesellschaft sind eher harmlos und beschränken sich auf leicht Spöttisches über kauzige oder korrupte Beamte. Nicht verwunderlich, denn gröbere Attacken auf die Obrigkeit waren damals mit Risiken verbunden.

 

Die Ausstellung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, das die bedeutendste Spitzweg-Sammlung beherbergt.

 

 

 

 

Titelbild (Ausschnitt)

Carl Spitzweg (1808-1885).

Der Porträtmaler, 1855.
Museum Georg Schäfer, Schweinfurt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Carl Spitzweg (1808-1885). Der arme Poet, 1838. Privatbesitz.

 

Der arme Poet, 1838

 

Das berühmteste Gemälde des Künstlers. Er parodiert darin den in sich gekehrten Dichter, der in seiner eisigen Mansarde seine Verse schmiedet. Dabei versuchen zählende Finger das richtige Versmass zu finden. Spitzweg zeigt seinem Dichter auch gleich die Limite an: Sie endet im Dachstock seiner Isolation – er wird es nie zu etwas bringen.

 

Spitzweg muss es wissen, denn er dichtet selbst auch. Allerdings nur für seinen Freundeskreis. Veröffentlicht werden seine lyrischen Werke erst nach seinem Tod.

 

 

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Der Bücherwurm, 1845. Privatbesitz.

 

Der Bücherwurm, 1845

 

Wie der arme Poet wird auch der gelehrte Greis – eingeschlossen und isoliert in seiner Bibliothek – sein grosses Ziel nie erreichen. Er kann zwar tausend gescheite wissenschaftliche Bücher lesen, aber am Ende wird er die Welt doch nicht verstehen. Spitzweg karikiert mit diesem Werk die hoffnungslose Lage der Intellektuellen in ihrer selbst gewählten Isolation.

 

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Der Kaktusfreund, 1858. Museum Georg Schäfer, Schweinfurt.

 

 

Der Kaktusliebhaber, 1858

 

Dieses liebevoll gemalte Bild spricht für sich. Spitzweg malt den Kaktusliebhaber voll auf seinen Kaktus konzentriert, als ob das stachelige Ding sein Baby wäre.

 

Auch hier ist Spitzwegs Protagonist völlig in sich gekehrt und isoliert. Der Künstler zeigt ihn in seinem Reich, umgeben von zahlreichen Kakteen. Die Aussenwelt spielt für ihn keine Rolle.

 

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Memorierender
Landpfarrer, 1840.
Privatbesitz.

 

Biedermeier – eine Figur der Fiktion

 

Als Biedermeierzeit bezeichnet man die Phase nach dem Wiener Kongress 1815 bis zur bürgerlichen Revolution von 1848.

 

Der Begriff geht auf eine erfundene Figur zurück: Auf den fiktiven Gottlieb Biedermaier, der in der ab 1845 erscheinenden Münchner Satirezeitschrift «Fliegende Blätter» als Autor auftrat und sich in Parodien über einen realen Dorfschullehrer lustig machte. Die richtigen Autoren dahinter waren ein Jurist und ein Arzt.

 

Carl Spitzweg, der malerisch als Vertreter der Biedermeierzeit gilt, zeigt in seinen Werken diesen parodierenden Ansatz auch. Ob er sich über den armen Poeten oder den Bücherwurm auslässt – immer steckt ein Schuss Parodie oder Ironie dahinter.

 

Spitzweg selbst ist aber alles andere als ein Biedermeier, sondern ein weltoffener, wacher Geist. Am liebsten würde er wohl die sozialen Missstände und die feudalen Strukturen direkt anprangern, aber das ist in dieser Zeit heikel.

 

Denn die Öffnung, die die französische Revolution 1789 gebracht hat, ist vorüber. Nach dem Sturz Napoleons und dem Wiener Kongress von 1815 haben die Monarchen das Heft wieder fest in der Hand und unterdrücken das Volk ebenso wie die Meinungsfreiheit. Zumindest bis zur nächsten Revolution, die 1848 kommt.

 

Weitere bekannte Biedermeiermaler sind
Ferdinand Georg >Waldmüller, Josef >Ziegler.

 

 

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Susanna im Bade, 1849. Privatbesitz.

 

Susanna im Bade, 1849

 

Obwohl Spitzweg keine akademische Ausbildung als Maler hat, wagt er sich auch an klassische Themen, hier an ein blblisches. Zwei alte Richter begehren die Susanna, die gerade badet. Sie weigert sich. Die Richter drohen ihr, sie des Ehebruchs zu bezichtigen, wenn sie nicht willig ist. Sie bleibt standhaft und wird verhaftet. Die Richter behaupten, sie beim Ehebruch erwischt zu haben und verurteilen sie zu Tode. Da hat der Priester Daniel eine Eingebung des Heiligen Geistes. Die Richter werden nun ihrerseits verhört und widersprechen sich. Am Ende werden sie selbst hingerichtet.

 

>mehr über Susanna im Bade

 

 

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Kopfstudie eines alten Türken, 1851-52. Museum Georg Schäfer, Schweinfurt.

 

Orientalisches, 1851

 

An der Weltausstellung von London 1851 kommt er nicht nur mit den Werken von William Turner in Kontakt, sondern lernt auch die für ihn neue Welt des Orients kennen. Er muss davon so fasziniert gewesen sein, dass er eine ganze Serie von Kopfstudien von Osmanen erstellt.

 

In einem Gemälde bildet er auch ein berühmtes Monument aus Ägypten ab: die Memnon-Kolosse von Theben am Westufer des Nils. Es lassen sich aber keine Hinweise darauf finden, dass er je Ägypten bereist hätte.

 

 

 

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Frauenbad bei Dieppe, 1857. Nach Eugène Isabey. Kunstmuseum
St. Gallen.

 

Das Frauenbad bei Dieppe, 1857

 

Eine Kopie nach dem französischen Maler der Romantik, Eugène Isabey (1803-1886). Spitzweg hält sich mit seinen Malerfreunden Eduard Schleich und Dietrich Langko auf Schloss Weissenstein bei Bamberg auf, wo die drei Bilder kopieren. Es wird vermutet, dass an diesem Gemälde auch Eduard Schleich mit beteiligt war. Dieser soll die Landschaft gemalt haben und Spitzweg die Figuren.

 

 

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Gutsherr mit Gemahlin, 1880. Privatbesitz.

 

Der Gutsherr, 1880

 

In diesem farbintensiven Gemälde macht sich der Künstler über den Gutsherrn aus der Stadt lustig, der sich mit Gattin, Entourage und in voller Montur samt Sonnenschirm auf einen Ausflug in die Natur macht, grosskotzig sein Land abschreitend.

 

 

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Fotos der Ausstellung Winterthur 2020

 

 

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