Ausstellung «Monster Chetwynd – The Tromp l'oeil Cleavage». Kunsthaus Zürich, 16.5. bis 31.8.2025.

 

Monster Chetwynd: «Ich fühle
mich zu Nonsense hingezogen»

 

Das Zitat ist etwas verkürzt. Chetwynd schwärmt auch noch von Surrealismus und von Ungehorsam. Aber «Nonsense» passt ausgezeichnet zu dieser Ausstellung. Darf man das Kunst nennen? Naja. Alles ist Kunst.

 

Die grosse Frage ist aber, wieso das Kunsthaus Zürich gleich ZWEI Nonsense-Ausstellungen zur selben Zeit organisiert. Im Klartext: Beide grossen Ausstellungssäle sind ein halbes Jahr mit Nonsense besetzt – und jenen Kunstfreunden, die sich für echte Kunst interessieren, bietet man ...nichts. Oder zwingt sie förmlich, in andere Museen auszuweichen, zu Beyeler und so. Wundert sich da noch jemand, dass das Kunsthaus Zürich defizitär arbeitet? Glaubt man im Ernst, mit Pappmaché-Monstern oder mit Explosions-Performances (>Roman Signer) das (Kunst)Publikum in Massen anzulocken?

 

 

Plakat der Ausstellung

 

 

Zur Monster-Ausstellung. Wer ist die Künstlerin?

Alalia Chetwynd kommt 1973 in London zur Welt. Sie stammt aus einer kunstaffinen und gesellschaftlich bedeutenden Familie. Ihre Mutter ist Luciana Arrighi, eine Oscar-prämierte Produktionsdesignerin, ihr Vater Rupert Chetwynd war Offizier bei den Grenadier Guards, dann Autor und Entwicklungshelfer in Afrika.

 

Am University College London (UCL) studiert Alalia Sozialanthropologie und Geschichte und macht dann an der Slade School ihren Bachelor in Fine Art. 2004 folgt ein Masterstudium in Malerei am Royal College of Art. Als Künstlerin nennt sie sich ab 2006 Spartacus Chetwynd, dann Marvin Gaye Chetwynd und ab 2018 Monster Chetwynd.

Ihre Performances lehnen sich an die Ideen der Surrealisten und vor allem der Dadaisten an, die ja für ihre Nonsense-Darbietungen berühmt sind. Dabei vermischt sie Motive aus Kunstgeschichte, Mythologie, Literatur, Philosophie und Film und inszeniert ikonische Momente aus der Kunst neu.

 

Chetwynd verwendet gern recycelte Materialien wie Pappmaché, Stoff oder Karton. Zudem zeigt sie ganz bewusst die handwerkliche Machart und setzt auf

Do-it-yourself.


Chetwynd stellte schon in zahlreichen bedeutenden Museen aus. Ab 2011 war sie an den Biennalen von Thessaloniki, Liverpool und Istanbul. 2018 stellte sie in der Tate Britain aus, 2021 im Wiener Belvedere und 2023 in Frankfurts Schirn. In Zürich zeigte sie ihre Arbeiten schon 2022 im Migros Museum für Gegenwartskunst. Dass sie nun die ganz grosse Bühne im Kunsthaus Zürich erhält, hat einen guten Grund: Monster Chetwynd pflegt eine langjährige Bekanntschaft mit der Direktorin Ann Demeester und mit Kurator Raphael Gygax.

Heute lebt und arbeitet Monster Chetwynd in Zürich und lehrt seit 2020 an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie ist mit dem polnischen Künstler Jedrzej Cichosz verheiratet, das Paar hat einen Sohn.

 

 

Monster Chetwynd an der Vernissage
am 15. Mai 2025 im Kunsthaus Zürich

>YouTube-Film


 

 

 

Titelbild

Monster Chetwynd (1973). Fabeltiere in
der Ausstellung im Kunsthaus Zürich,

Trompe d'oeil Cleavage.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Farbige, begehbare Monsterköpfe mit Fantasiefiguren

 

 

Il tetto.

 

Gemäldeserie Fledermäuse.

 

Höllenschlünde und Fledermäuse

 

Die Ausstellung ist als eine Art Parcours aufgebaut. Dieser soll von der römischen Via Appia inspiriert sein. Die Besucher schlendern dabei an fantasievollen begehbaren Monsterköpfen aus Pappmaché vorbei, die an Höllenschlünde erinnern, wie man sie im Theater des Mittelalters als Kulissen benutzte. Mit dem Ziel, dem Publikum die Qualen der Hölle zu erläutern. Oder: Um das gemeine Volk moralisch zu belehren und es zu erschrecken. Schauspieler, als Dämonen und Teufel verkleidet, heizten das Ganze noch an. Heute verfehlen die Höllen-Schlünde ihre Wirkung. Für Kinder werden sie zum willkommenen Spielplatz. Sie freuen sich an diesen farbigen «Zelthütten», in denen sie rumtollen und Versteckis spielen können. Ein Kinder- und Familienparadies.

 

In den «Höllenschlünden» gibt es verschiedene Kunstwerke zu sehen. So zum Beispiel Bilder aus der Gemäldeserie «Bat Opera» von Monster Chetwynd. Es handelt sich um eine seit 2003 laufende Serie, die sich mit Fledermäusen befasst.

 

Die Serie entstand während ihres Masterstudiums am Royal College of Art in London. Sie geht der Frage nach, welche Eigenschaften Fledermäuse haben. Chetwynd sieht in ihnen keine angsteinflössenden Teufel, sondern wertvolle «Öko-Krieger», die das Gleichgewicht der Natur bewahren. Als Betäuber und Insektenfresser.

 

 

Die Rückseite des Eingangtors im
Do-it-yourself-Stil. «Hell-Mouth».

 

DIY-Ästhetik – was ist das?

 

Eines von Chetwynds Markenzeichen ist die Verarbeitung ihrer Bühnenkulissen nach der Art des Do-it-yourself. Sie verwendet gerne recycelte Materialien.

 

Die DIY-Ästhetik beschreibt die sichtbare Anlehnung an das Selbermachen, an das Basteln und Improvisieren. Sie steht im Gegensatz zu industriell gefertigten Produkten und betont stattdessen Individualität, Unvollkommenheit und die Spuren handwerklicher Arbeit. Nähte, Klebestellen und Übermalungen bleiben sichtbar und werden zum ästhetischen Merkmal. In der Figur am Eingang zur Ausstellung ist das gut zu erkennen.

 

 

 

Der wundersame Flötenspieler

 

Man kann sich förmlich ausmalen, mit welcher Begeisterung die Künstlerin diese fantasievolle Monsterskulptur aus Pappmaché gebastelt hat – im Do-it-yourself-Stil. Die Figur ist monumental, eindrücklich, witzig und nennt sich «Flute Nose», die Flöten-Nase.

 

 

 

 

 

 

 

Was versteht man unter Bricolage-Kunst?

 

Die Schaffung von Kunstwerken durch manuelles, improvisierts Zusammenfügen von Materialien, die gerade zur Hand sind. Der Begriff stammt aus dem Französischen (bricoler=basteln), und beschreibt ursprünglich ein Vorgehen, bei dem eine Aufgabe nur mit gerade vorhandenen Ressourcen gelöst werden muss. Der Begriff selbst stammt vom französischen Anthropologen Claude Lévi-Strauss. Er stellte den improvisierenden Bricoleur dem planenden Ingenieur gegenüber. Während der Ingenieur gezielt entwickelte Mittel einsetzt, arbeitet der Bricoleur nur mit dem, was gerade vorhanden ist.

 

Bei der Bricolage steht der kreative Umgang mit Ressourcen im Vordergrund. Die Werke tragen häufig sichtbare Spuren von Handarbeit und Improvisation. Die Materialherkunft bleibt erkennbar.

 

Bricoleurs wie Monster Chetwynd nutzen Fundstücke, Alltagsgegenstände oder zufällig verfügbare Materialien, um daraus neue Werke zu schaffen, meist Skulpturen.


Unterschied zur Collage

 

Collagen sind meist zweidimensional, Bricolagen dagegen dreidimensional. Die Bricolage wird deshalb gerne für Skulpturen verwendet.


 

 

Monströse Fantasie-Schmetterlinge

 

Diese dreidimensionalen Sommervögel – oder sind es Libellen oder sonstige Fantasie-Insekten ? – kombiniert Chetwynd mit Kopien von Renaissance-Gemälden. Warum, erschliesst sich dem Betrachter nicht wirklich. Aber nach dem Warum fragt man ja nicht in einer Fantasiewelt.

 

 

Der gebastelte Schaukasten.

 

Maya-Ruinen dreidimensional und als Gemälde.

 

Dioramen im DIY-Stil

 

Dioramen sind dreidimensionale Schaukästen, in denen Szenen mit Figuren und Landschaften vor einem bemalten Hintergrund dargestellt werden. Erfunden wurde das Diorama im 19. Jahrhundert von Louis Daguerre (1787-1851). Er war der Erfinder des ersten kommerziell nutzbaren fotografischen Verfahrens, der Daguerreotypie. Seine Dioramen waren Schaubühnen, bei der durch wechselnde Beleuchtung Tageszeiten oder Bewegungen simuliert werden konnten. Diese Technik wird heute noch gelegentlich im Theater verwendet.


Monster Chetwynds Miniaturbühnen bestehen aus einem bemalten Hintergrund – eine Art Kulisse – und kleinen 3D-Objekten, wodurch eine gewisse Tiefe entsteht. Ein dreidimensionales Trompe-l’œil.

 

 

Wichtiges Element der Ausstellung: Filme.

 

 

>Film Hermitos
Children III

 

 

Filmserie «Hermitos Children»

 

In der Ausstellung im Kunsthaus Zürich werden drei Teile dieser Filmreihe gezeigt – und das gleichzeitig. Für Nicht-Multitasker ganz schön anspruchsvoll – und etwas verwirrlich.

 

Im Zentrum der Filmreihe steht die telepathisch begabte Kommissarin Joan Shipman, die mit unkonventionellen Methoden und übersinnlichen Fähigkeiten rätselhafte Fälle löst – oft im Kontext sexueller Verbrechen.

 

«Mit Hermitos Children wollte ich das Dilemma lösen, wie man die Einmaligkeit von Performances dokumentieren kann, ohne deren Lebendigkeit zu verlieren», sagt Chetwynd.

 

 

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Fotos Ausstellung Monster Chetwynd 2025