1964 mit der MS Basilea nach China – als Messboy auf hoher See
Am Anfang stand ein Inserat der Schweizerischen Reederei AG, das hiess:
«Für unsere Hochseeschiffe suchen wir Messboy...»
Ohne genau zu wissen, was ein Messboy ist, meldete ich mich. Ich war 22. Erste Station ist das Schifferhaus in Basel, wo es einen Crashkurs in Pfannenputzen gibt. Zwei volle Wochen lang...
Endlich ist unsere «Ausbildung» zu Ende. Wir werden zu unserem Starthafen geschickt: Nach Antwerpen! Im überfüllten Zug 2. Klasse, ohne Sitzgelegenheit, auf unserem Gepäck hockend...
...aber unser Schiffe ist noch auf See. Man bringt uns im «Internationaal Zeemanshuis»unter.
Das klingt schon mal nach Seemann!
Wir lernen das Hafenviertel von Antwerpen kennen. Und das Nachtleben. Und stündlich warten wir auf die Nachricht, dass unser Schiff endlich einlaufen würde...
Das Warten auf den Kahn dauert uns viel zu lang. Antwerpen, nein, das ist noch nicht die grosse Welt, die wir sehen wollen...
Mit Sehnsucht blicken wir vom Seemannshaus auf den Hafen. Wann kommt sie endlich, unsere neue schwimmende Heimat, die MS Basilea?
Sie ist da! Um Mitternacht des 2. Juli 1964 ist sie eingelaufen, die MS Basilea. Am frühen Morgen mustern wir an, zwei Messboys und ein Deckjunge. Wir legen ab: erstes Ziel Rotterdam.
Die Arbeit als Messboy geht sofort los: Tagwache 6.00 Uhr. WC putzen, Kabinen aufräumen, Abwasch, Gänge putzen, Mittagessen servieren, abwaschen, Hilfsdienste in der Küche...
...Kartoffeln schälen, abwaschen, Küche putzen, Kabinen putzen, WC putzen, abwaschen.
In Rotterdam sind wir nur kurz, dann gehts weiter nach Bremerhafen und nach Hamburg.
Hamburg! Die MS Basilea kommt erstmal ins Trockendock der Howalds-Werft. Rund 10 Tage lang wird sie innen und aussen überholt. Die tägliche Arbeit des Messboys ändert sich dadurch nicht.
Neben dem Dock liegt die MS Brunswick. Sie wurde überholt, und als man sie ins Wasser lassen wollte, kippte sie um. Hoffentlich passiert uns das nicht auch!
Die MS Basilea im Trockendock. Im Dock wirkt sie noch mächtiger als Im Wasser. Die Arbeiten dauern gut zehn Tage, bis zum 28. Juli 1964.
Spannend, auf dem Gelände des Docks umherzustreifen. Motormann Otto Sauter staunt über die Grösse dieser Ersatzschraube.
Am 31. Juli 1964 geht's endlich gegen Süden. Über Antwerpen an den Küsten Frankreichs und Portugals vorbei mit dem ersten Ziel in Afrika: Casablanca, Marokko.
Noch in Hamburg hat uns eine Journalistin der «Sie & Er» besucht und eine Reportage über Schweizer Seeleute gemacht. Messboy Fritz ist auch dabei! – ich bin mächtig stolz.
Wichtigster Arbeitsplatz des Messboys: Die Galley. Hier wird Kaffee gekocht und, vor allem, der Abwasch besorgt. Danach soll alles blitzblank sein!
Das Reich des Kochs Hans Dörflinger und des Bäckers Charly Schmid. Der Messboy hat hier nur zu tun, wenn es um dreckige Pfannen geht. Und ums Kartoffelschälen und Gemüseputzen.
Der Bäcker Charly Schmid ist auch der Zweite Koch an Bord.
Die Arbeit der Deckjungen ist auch nicht viel besser als jene der Messboys. Aber hierarchisch stehen sie weit über diesen und gelten als «echte» Seemänner...
Das Karriereziel eines Deckjungen: Der Matrose. Hier der Vollmatrose Albin Vögtlin bei seiner Lieblingsarbeit: Streichen des Decks. Hinter ihm der Bootsmann, der Chef der Matrosen.
Der Zweite Offizier (der auf Frachtschiffen auch die Funktion des Mediziners an Bord innehat), Arthur Walser, links, und der Funker Bruno Maier.
Bootsmann Bruno Schuchter, Chef der Deckmannschaft, der jeweils auch beim Laden und Löschen der Güter eine verantwortungsvolle Rolle spielt.
Chiefsteward Walter Ziswiler, dem auch die Messboys unterstehen. Er ist verantwortlich für den Einkauf der Lebensmittel an Bord. Auch fürs Bier...
...und auch für die gute Stimmung an Bord. Bei längeren Passagen ist immer mal wieder ein Bordfest fällig, und da ist er auch als Musikant gefragt.
Die Maschinisten arbeiten unter Deck, kommen aber manchmal auch ans Tageslicht: Hier die beiden Motormen Robi Fiechter und Otto Sauter beim Ananas-Essen mit Stäbchen...
Globi, unsere Schiffskatze. Sie führt ein Herrenleben: Von allen verwöhnt, immer was Gutes zu futtern und manchmal landen auch fliegende Fische an Deck, ein Leckerbissen!
Die Mini-Kabine für zwei Messboys liegt achtern, direkt neben dem Ruderraum. Laut, eng, stickig. Zwei schmale Pritschen übereinander, kaum Platz zum Stehen daneben...
...da schlafe ich lieber an Deck! Mein Lieblingsschlafplatz in südlichen Gefilden. Der Bretterverschlag hinten ist der Kartoffelbunker. Da klettere ich jeden Tag mit einem Kessel rein...
Die erste Etappe von Hamburg bis Casablanca dauert rund eine Woche. Im Golf von Biscaya ist die See etwas rauh, doch gegen Afrika hin beruhigt sie sich.
Die geplante Route kann immer wieder geändert werden, je nach Frachtaufträgen. Wenn unterwegs etwas anfällt, dann läuft man den entsprechenden Hafen an.
Zum ersten Mal auf afrikanischem Boden: In Casablanca wartet die Hauptladung der MS Basilea, nämlich 7'000 Tonnen Phosphat, bestimmt für Schanghai.
Phosphat ist ein Schüttgut und wird einfach in den Bauch des Schiffes gekippt. Mit Folgen: Alles ist weiss bedeckt, so wie das Pier hier, und die Messboys haben mit Putzen alle Hände voll zu tun.
Landgang gibts nur für wenige. Jene, die Bord bleiben müssen, werden von den Händlern bedient, die ihre Waren von kleinen Booten aus anbieten. Aber nicht nur Souvenirs...
...sondern vor allem nützliche Dinge für den Alltag, von Schuhbändeln bis Zahnbürsten. Die Besatzung der MS Basilea macht davon eifrig Gebrauch, für die Händler ein gutes Geschäft.
Von Casblanca sehe ich nicht viel, nur in der «Zimmerstunde» am Nachmittag darf ich kurz an Land. Trotzdem: Das Gefühl, erstmals in Afrika zu sein, das ist schon gut!
Zwischenstopp in Sfax (Tunesien). Ein kleiner Hafen, mitten in der Stadt. Wir laden ein paar Ölfässer, löschen einige Kisten, und weiter gehts durchs Mittelmeer Richtung Suezkanal.
Die MS Basilea im Hafen von Sfax (Tunesien).
Von Alexandria (Aegypten) aus macht die Basilea-Crew – respektive der glückliche Teil davon – einen Ausflug nach Kairo und zu den Pyramiden von Gize. Neuland!
1964 ist es (noch) gestattet, die Pyramiden zu erklimmern! Davon machen wir natürlich Gebrauch, auch wenn es ziemlich anstrengend ist, auf diesen Steinquadern zu klettern.
Geschafft! Edi Ackermann, der Zweite Steward, posiert stolz auf der grossen Pyramide, der Cheops,
die 146 Meter hoch ist.
Auch Messboy Kleisli hat den Aufstieg hinter sich und träumt vor sich hin. In Veston und Krawatte..., das waren noch Zeiten!
Kapitän Vinzenz Grisar, ein Holländer, macht derweil einen Rundgang um die Cheops-Pyramide.
Der etwas lädierte Kopf des Sphinx – Napoleons Soldaten hatten die Statue um 1800 herum für Schiessübungen missbraucht... Im Hintergrund die Cheops-Pyramide.
Abschied von Kairo/Gise. Im Bus (nicht auf dem Kamel!) geht's zurück nach Alexandria und an Bord der MS Basilea.
Die nächste Etappe steht an: Bei Port Said wartet der Suezkanal, dann gehts im Roten Meer weiter, mit einem Zwischenstopp in Französisch-Somaliland, in Djibouti.
Port Said, der Zugangshafen vom Mittelmeer aus in den Suezkanal. Fotografieren dürfte man eigentlich nicht, vor allem nicht militärische Geräte...
Die MS Basilea im Suezkanal. Links und rechts nichts als Wüstensand...
...und nur vereinzelt ein paar kleinere Oasen.
Der Suezkanal ist 162 Kilometer lang. Für die Durchfahrt im Konvoi mit anderen Schiffen brauchen wir rund zwei Tage. Von Suez bekommen wir nicht viel mit.
Im Roten Meer in Djibouti, damals Französisch Somaliland, erhalten wir keine Ladung. Wir bunkern aber Diesel und bekommen ein paar Stunden Landgang.
Die Bewohner von Somalie sind auffallend dunkel, grossgewachsen und haben extrem lange Glieder und Hälse.
Im Hafen von Djibouti.
Am Hafen von Djibouti.
Djibouti.
Djibouti.
Anglerglück im Roten Meer. Da freuen sich Koch und Mannschaft. Jetzt steht eine sehr lange Strecke auf See an: über den indischen Ozean bis Singapur, rund 13 Tage am Stück.
Nach Singapur fahren wir nicht, wir löschen ein paar Kisten vor Anker, dann gehts weiter nach Bangkok. Hier sind wir schon im Bangkok-River, auf dem reger Verkehr herrscht.
Bangkok-River. Es ist tropisch geworden.
Auf dem Weg nach Bangkok.
Ein sehr einfaches Leben mit primitiven Hütten am Bangkok-River.
Die Menschen in ihren Wohnbooten trinken das Wasser direkt aus dem Fluss.
Das Leben am Bangkok-River.
Die MS Basilea in Bangkok.
Das Bangkok-Highlight sind nicht die Tempel... Die Mädchen kommen an Bord!
Auf der MS Basilea wimmelt es in kurzer Zeit von Girls...
Einige der Mädchen haben auf dem Schiff einen «festen Freund» und kommen ihn besuchen...
...andere schauen mal eben an Bord nach, ob neue Kunden dabei sind.
Dieses Schätzchen interessiert sich für Messboy Fritz.
Ohne Boot geht nichts in den Klongs.
Auf Bangkoks Fluss, dem Chao Phraya. Im Hintergrund eines der berühmtesten Wahrzeichen von Bangkok, der Wat Arun (Tempel der Morgenröte).
Studenten im Tempelbezirk, die eine zeitlang als Mönche leben.
Der gewaltige «Sleeping Buddha», 50 Meter lang und mit Gold bedeckt...
Im Tempelbezirk.
Wat Phra Kaeo: Tempel des Königs im alten Königspalast in Bangkok.
Gold, Gold, Gold...
...und mittendrin Fritz, der Messboy!
Von Bangkok gehts weiter nach Hongkong. Das Spezielle an dieser Etappe: Wir laden 300 Kühe und Wasserbüffel, die für den Schlachthof in Hongkong bestimmt sind.
Die armen Tiere werden an Deck zusammengepfercht, Leib an Leib. Gutmütig wie sie sind, machen sie keinerlei Probleme.
Aus den Matrosen und Deckjungen werden «Bauern», die täglich dreimal die Tiere füttern und tränken müssen. Die Mannschaft macht das mit Begeisterung und einer Portion Mitleid.
Nicht alle Tiere überleben den 6-tägigen Trip. Jene, die verenden, werden jeweils über Bord gehievt. Ihnen bleibt die Tortur des Schlachthauses erspart.
Jeder freie Zentimeter auf Deck ist mit Tieren belegt.
Zwischen der Crew und den Tieren entwickelt sich ein schönes Verhältnis. Die Männer tun alles, um ihnen die letzten Tage ihres Lebens so angenehm wie möglich zu machen.
Messboy Fritz bei seiner täglichen Arbeit: Kartoffeln schälen. Zwischen Bangkok und Hongkong ist es jetzt wie auf einem Bauernhof...
Hongkong! Die MS Basilea geht zwischen der Insel Hongkong und Kowloon vor Anker. Alles, was es zu löschen gibt, wird mit Dschunken und Lastkähnen abgeholt.
Ein typischer Lastkahn, als es noch keine Containerschiffe gab...
Die Hochhäuser von Hongkong beeindrucken, Dschunken gehören zum Bild.
Eine klassische Dschunke.
Blick vom Victoria Peak.
Im Hintergrund Kowloon, das Festland.
Nostalgie-Tram und kaum Autos... heute unvorstellbar!
An einem der vielen Märkte in Hongkong.
Verkehrspolizist 1964. Nur wenig Arbeit...
Hongkong, wie man es sich vorstellt.
Sieht chaotisch aus, aber die Bambusgerüste haben bis heute überlebt.
Die Frachtkähne strömen zur MS Basilea...
Auf solche Lastkähne werden «unsere» Tiere verladen...
...jedes Tier wird einzeln über Bord gehievt. Die meisten lassen es einfach über sich ergehen.
Der Mann an der Seilwinde ist davor verantwortlich, dass die Tiere heil im Transportkahn ankommen. Manchmal geht es ziemlich ruppig zu.
Alle dreihundert Tiere sind von Bord und auf dem Weg in den Schlachthof – jetzt ist die chinesische Putzequipe an der Reihe.
Messboy Kleisli mit seiner 8mm-Kamera Bolex. Ohne Batterien – mit Handaufzug...
Und die Reise geht weiter. Von Hongkong nach Schanghai, dann weiter nördlich in die chinesischen Häfen Dairen und Qingdao.
Zwischen dem chinesischen Festland und Taiwan geraten wir in einen ausgewachsenen Taifun. Wir verlieren zeitweise die Kontrolle über das Schiff und treiben hilflos und ohne Motoren...
Die «Sturmbilder» zeigen nicht den richtigen Sturm – inmitten des Taifuns ist niemandem zum Fotografieren zumute. Erst als alles überstanden ist und die wütende See sich langsam legt...
...sind diese Bilder enstanden. Das Fazit: Wir haben überlebt, aber in diesem Taifun ist ein panamesischer Frachter gesunken, mit Mann und Maus. Das erfahren wir erst später.
Ab Schanghai gilt strengstes Fotografierverbot. Die angedrohten Strafen sind so drastisch (Arbeitslager), dass sich alle dran halten. Dieses Bild stammt von einer Postkarte...
Und noch ein Postkartensujet von Schanghai.
Nur von Politkommissären geführt dürfen wir von Bord. Das ist der dafür notwendige Landgangspass. Gezeigt werden uns nur schöne Parks...
Messboy Kleisli auf der «Parkbesichtigungstour» in Schanghai...
Ende gut, alles gut. Die gesamte Crew ist froh, nach rund einem Monat China verlassen zu dürfen. Und alle freuen sich auf einen zweiten Stopp in Bangkok. Im Dezember sind wir wieder in Antwerpen.
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